Es gibt in der Youngtimer-Szene Traumautos, vor deren potenziellen Werkstattkosten man Respekt hat. Dazu gehört zum Beispiel der Jaguar XJ12 der Serie III oder eben – der Mercedes S600 der Baureihe W140. So geht es mir bei diesem Meilenstein der Automobilgeschichte auch: Total faszinierend, ohne Frage auf dem Weg zum Klassiker, aber bestimmt teuer im Unterhalt. Oder?
Mein Freund Henning hat es 2019 gewagt und den (vermeintlich) perfekten S600 gekauft. Das Auto begeistert bis heute, war aber sehr viel teurer als gedacht. Hier berichtet Henning über den Kauf, alle bisherigen Reparaturen und die in der Mercedes-Werkstatt entstandenen Kosten (nicht erschrecken, es wird teuer). Damit gebe ich das Wort gerne an Henning weiter!
>>Wie meine Reise mit dem S600 begann
Autobegeistert bin ich, seit ich denken kann. Besonders die Autos meines Vaters aus meiner Kindheit und Jugend faszinieren mich bis heute (mein Vater ist zeitlebens ebenso autobegeistert). Eines seiner Autos hat besondere Spuren hinterlassen: Es war der Mercedes 600 SEL vom Typ W140, den mein Vater gefahren hat, als ich Mitte der 90er den Führerschein gemacht habe.
Ich erinnere mich noch gut an das erhabene Gefühl am Steuer dieser Limousine und, vor allem, an die mehr als souveräne Motorisierung. Mein Vater hatte seinen 600er dann 1996 gegen einen Alpina B12 vom Typ E38 ausgetauscht. Mir war aber klar, dass ich irgendwann mal einen Mercedes W140 mit dem 12-Zylinder Motor haben wollen würde.
Suche und Kauf meines S600 im Jahr 2019
Die Zeit verging und ich trug mich jahrelang mit dem Gedanken, mir endlich den Traum eines 12-Zylinders zu erfüllen. Währenddessen hatte ich zunächst einen sehr schönen W140 als S320 gekauft. Leider hatte ich in den einschlägigen Fachzeitschriften nicht viel Positives über den 12-Zylinder im W140 gelesen: Von Schäden am Motorkabelbaum, in den Zylinderköpfen oder den Katalysatoren wurde da berichtet. Der Motor gilt als kompliziert. Das schreckte mich ab und ich kaufte einen BMW 750i vom Typ E32. Dieser Motor ist einfacher konstruiert und gilt insgesamt als robuster (so viel nehme ich vorweg – meine Erfahrungen bestätigen das eindeutig).
Dennoch blieb der Wunsch nach einem W140 mit 12 Zylindern. Und so kam es, dass ich meine Bedenken bezüglich der Anfälligkeit zerstreute und auf die Suche nach einem W140-V12 ging. Es wurde schließlich ein sehr schöner S600 L aus dem Baujahr 12/1994, mit nur 38.000 km Laufleistung und in einem dementsprechend guten Erhaltungszustand.
Das Auto wurde ursprünglich für den russischen Markt produziert, jedoch in Japan ausgeliefert und hat dort sein erstes Leben verbracht. Im Jahr 2013 wurde der S600 dann mit 23.000 km zurück nach Deutschland geholt. Dort wurde es an den Herrn verkauft, von dem ich das Auto 2019 erworben habe.
Im November 2019 war es soweit und ich habe das Prachtstück für 29.000 Euro gekauft! Damals nicht wenig, aber aus meiner Sicht angesichts des tollen Zustands in Ordnung. Ich dachte, was soll bei der Laufleistung schon sein, machte eine eher oberflächliche Besichtigung mit kurzer Probefahrt und war vom makellosen Zustand begeistert.
Der 600er fuhr und bremste gut und so schlug ich zu. Aber die Freude währte nicht lange. Bereits bei der ersten Spritztour blieb ich liegen. Schuld war die Batterie, die offenbar trotz angeblich guter Pflege des Vorbesitzers einfach altersschwach war.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass diese abendliche Erfahrung im Dezember 2019 exemplarisch für den Gesamtzustand des Wagens war.
Anfang der größeren Probleme
Und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Nach einer Wartung, neuen Reifen und einer Wäsche machte ich die erste Fahrt nach Hause. Dabei fielen mir Zündaussetzer auf und ich stellte den Mercedes wieder in der (Mercedes-Vertrags-) Werkstatt ab. Nach einiger Zeit meldete sich die Werkstatt: Es sei alles in Ordnung, der Wagen führe doch problemlos. Dem war dann auch einige Tage so.
Nach dem nächsten Besuch in der Waschstraße traten jedoch leider wieder Zündaussetzer auf. Ich stellte den 600er erneut in der Werkstatt ab. Diesmal tippte man auf die Verteilerkappen und erneuerte diese nebst Zündkabeln und Zündkerzen.
Dann lief der S600 erstmal wieder einige Tage bis, mahnt ahnt es schon, zum nächsten Waschstraßenbesuch: Wieder Zündaussetzer! Diesmal dachte ich, ich fahre einfach auf die Autobahn und fahre ihn mal richtig trocken. „Dann wird es schon wieder“. Weit gefehlt: Ich strandete mit massiven Zündaussetzern und ohne Leistung auf einem Park and Ride-Parkplatz. Der ADAC kam und schleppte den 600er in die Vertragswerkstatt.
Nach einigen Tagen und weiteren diagnostischen Waschstraßenbesuchen durch den Meister kam dann die Diagnose. Der Kabelbaum sei total hinüber und müsse erneuert werden. Gesagt, getan. Doch auch nach dieser Reparatur währte die Freude nicht lange. Auf der Autobahn traten ab 140 km/h wieder Zündaussetzer auf. Diagnose diesmal: Der rechte Kat war zerstört und müsse erneuert werden – wohl ein Resultat meines vorherigen „heißen Ritts“ über die Autobahn mit Zündaussetzern, den ich im Nachhinein entsprechend bereut habe. Nun gab es also einen neuen rechten Katalysator (der nicht einfach zu besorgen war und schließlich aus den USA geholt wurde).
Auf die große Reparatur folgt eine viel größere: Motorschaden!
Ich war mittlerweile 15.000 Euro ärmer und dachte, nun würde einer weiteren harmonischen Beziehung und genussvollen Fahrten nichts im Wege stehen. Dann machte ich eines schönen Tages eine Pfütze mit Kühlflüssigkeit unter dem Auto aus. Das schlimmste (nämlich die Zylinderkopfdichtung als Ursache) befürchtend brachte ich den S600 erneut in meine Werkstatt. Dort wurden meine schlimmsten Befürchtungen leider übertroffen: Der Zylinderkopf und die Zylinderkopfdichtungen waren hinüber und es zeigte sich ein Kolbenfresser an zwei Zylindern. Das bedeutete, entweder den kompletten Motor zu revidieren, oder das Auto nun zum Ausschlachten zu verkaufen. Beide Optionen hatte ich mit dem Meister bei Mercedes intensiv besprochen und abgewogen.
Ich entschied mich für die Reparatur: Der Motor wurde ausgebaut, zerlegt und in einer Spezialwerkstatt komplett revidiert. Er bekam dabei auch zwölf neue Kolben. Danach war ich weitere 18.000 Euro ärmer und nahm meinem Mercedes S600 sechs Monate später glücklich in Empfang. Der Motor lief sehr schön und das Fahren machte mir großen Spaß. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, als ich gerade den Führerschein hatte und mit dem 600 SEL meines Vaters unterwegs war. So versuchte ich, die absurd hohen Werkstattkosten für mich vergessen zu machen.
Meine Odysee geht weiter: Es folgt der Pleuellagerschaden
Nach 13 Monaten und 6.800 km brachte ich den Mercedes nichtsahnend wegen eines defekten Birnchens am Klimaanlagenbedienteil „kurz“ in die Werkstatt. Nach einer Woche rief mich der Meister an und frug ob ich sitzen würde, denn er hätte schlechte Nachrichten für mich.
Das Birnchen sei zwar gewechselt, aber bei der anschließenden Probefahrt sei der Motor ausgegangen und wäre wohl festgegangen. Ich war restlos bedient! To make a long story short, Ursache war dieses Mal ein Pleuellagerschaden – wahrscheinlich (aber nicht sicher) war ein Fehler bei der vorhergehenden Instandsetzung in der Spezialwerkstatt die Ursache. Die Folge war eine komplette erneute Motorrevision, alles nochmal von vorne! Da nach zwölf Monaten die Gewährleistung gerade abgelaufen war, einigten wir uns darauf, dass ich dafür nur die Ersatzteilkosten übernehmen musste – immerhin nochmal 2.500 Euro! Es folgte noch eine kurze Odysse wegen Ölverlusts, der aber auf Kulanz behoben wurde. Das war Anfang 2023.
Im Herbst 2023 gehen die Probleme weiter…
Im Herbst 2023 brannte dann – mal wieder nach einem Besuch in der Waschstraße – auf einmal die ASR-Leuchte und der Motor fiel ins Notlaufprogramm mit stark reduzierter Leistung. Nach einigen Minuten lief er wieder normal und ich kam bis zur Garage. Dort setzten sich die Probleme fort – ASR-Leuchte und Notlaufprogramm kamen immer wieder in den Vordergrund. Schweren Herzens musste ich erkennen, dass einmal mehr ein Problem zu lösen ist. Der S600 wurde mal wieder mit dem Trailer zur Werkstatt gebracht.
Nach längerer Suche und Diagnose wurde die Ursache gefunden: Es waren mal wieder poröse Kabelisolationen, dieses Mal an den beiden elektronischen Drosselklappen. Glücklicherweise ließen sich die Stellglieder durch eine Spezialfirma überholen. Insgesamt hat diese Prozedur unter dem Strich nochmal 2.500 Euro verschlungen. Das war im Januar 2024.
Ausblick auf eine sorgenfreie Zukunft?
Seither läuft der S600 störungsfrei und macht mir sehr viel Freude. Ich bin immer wieder von dem Geräusch des 12-Zylinder und seiner Kraftentfaltung fasziniert. Ferner begeistern mich der Langstreckenkomfort und der gute Zustand meines S600.
Nach all den Reparaturen schone ich ihn nicht mehr als meine anderen Klassiker auch, sondern bewege ihn regelmäßig. So habe ich zum Beispiel mit viel Vergnügen im Juli an einem Fahrsicherheitstraining für Oldtimer und Youngtimer teilgenommen und mit dem Mercedes den 2. Platz bei der Gleichmäßigkeitsfahrt belegt 😊
Am 6. Dezember 2024 hat er seinen 30. Geburtstag gefeiert und kurz danach problemlos sein H-Kennzeichen bekommen. Ich freue mich auf viele schöne weitere gemeinsame Kilometer und harre der Dinge, die da kommen.
Denn eins ist sicher: Kaputt gehen kann (und wird) an so einem alten Auto immer etwas!<<
Zum Ende dieses Erfahrungsberichts bleibt Henning nur zu wünschen, dass er nun „über den Berg“ ist und seinen nach wie vor faszinierenden S600 in den kommenden Jahren einfach genießen kann. Vielen Dank für diesen Bericht!
Habt Ihr auch ein Vielfaches des Marktwertes Eures Klassikers in die Werkstattkosten investieren müssen? Wie immer freue ich mich über Eure Kommentare unter diesem Beitrag!
Absolute Horrorgeschichte. Ich hatte in der letzter Zeit in der Tat auch mit einem S600 vom Typ W140 geliebäugelt. Nach dem Motto: „Die Probleme sind mir bekannt, aber ich werde schon Glück haben“. Die Story schreckt mich dann doch wieder ab. Die Voraussetzungen schienen mit der Laufleistung und dem Zustand ja gut. Mir ist mit meinem 66er Mustang Ähnliches widerfahren. Nicht ganz so schlimm aber in der Summe wirtschaftlich in der Nähe.
Das klingt tatsächlich dramatisch.
Allerdings sollte zumindest die Sache mit dem Motorkabelbaum nicht überraschend gewesen sein!
Dieser Defekt ist a) in diesem Baujahr bekannt und ist schon durch eine Sichtprüfung feststellbar.
Man kann dies leicht sehen.
Bei meinem W140 konnte man das Kupfer aus an den Steckern herausblitzen sehen.
Sorry aber für so viel Geld das da beim Kauf auf den Tisch kam sollten diese recht einfach festzustellenden Dinge geprüft werden.
Rest ist dramatisch, sehr viel Pech mit dem Auto, ich hätte aufgegeben.
Respekt für den Autor dass er das mitgemacht hat!
Ohje! Da wird es ja einem richtig schlecht, das zu lesen. Für mich ein Beleg, dass man von älteren Autos mit komplexer Technik am besten die Finger lässt, wenn man nicht selbst schrauben kann bzw. einen gewogenen Werkstattmeister zu seinem Bekanntenkreis zählt. Ich bin auch ein Liebhaber alter Automobile, hatte meinen R129 vor vier Jahren aber genau deshalb bewusst als „Buchhalter“ gesucht. Mit dem einfachen Zweiventil-Sechszylinder, also als Vormopf, ohne Klima, ohne Automatik. Meine Strategie ist aufgegangen, ich bin in den vier Jahren rund 19.000 km ohne nennenswerte Reparaturen ausgekommen, und wenn, war alles in Eigenregie bewältigbar.
Gleichwohl bewundere ich den Enthusiasmus, das Fahrzeug immer wieder instandzusetzen.
Viele Grüße
Martin
https://martin-300-sl.jimdosite.com/
Hallo Martin,
danke für den Link zur Seite über Deinen R129. Ein sehr schöner SL, gerade auch in Almadinrot und mit Schaltgetriebe! Auch Deine Seite finde ich sehr nett gemacht!
Viele Grüße
Michael
An dieser Geschichte erkenne Ich zwei wesentliche Probleme, die sich kostentechnisch besser darstellen liessen. Ich bin der Michael aus dem Artikel über Kanadaimporte. Also mit ausreichend Erfahrungen gerade bei den High End Fahrzeugen aus den jeweiligen Baureihen. Hatte CL600 aus C215, SL55AMG aus R230 und momentan SL500 R129 sowie zwei 560SEC aus 126 sowie viele weitere Oldtimer. Einen 560SEC gebe Ich demnächst ab.
Um diese ehemals extrem hochpreisigen Fahrzeuge heute fahren und erhalten zu können, muss erstens der Einkaufspreis sehr niedrig sein. Die einschlägigen Probleme kommen auch bei geringer Laufleistung , denn Sie sind meist zeitabhängig. Also kommt Einkaufspreis vor Erhaltung oder Laufleistung. Selbst topgewartete Fahrzeuge sind kein Garant für zukünftige typische Schäden.
Das was Ich beim Einkaufspreis spare, kann Ich dann für die Repas nutzen.
Zweitens sollte man in solche Fahrzeuge nur einsteigen, wenn man selbst die komplette Fehlerdiagnose durchführen kann und das Meiste an Reparaturen auch selbst, oder mit Hilfe kleiner freier Werkstätten, erledigen kann.
Mercedesvertragswerkstätten sind da der Kostentod. Es gibt auch dazu genug Beispiele, dass bei Fahrzeugen der Luxusklasse auch der Repapreis in der Luxusklasse angesiedelt wird.
Ausserdem wird von Mercedes gern eine Komplettreparatur empfohlen/angestrebt/durchgeführt, die oftmals nicht erforderlich wäre.
Fahrzeuge 20 Jahre plus sollten nicht mehr in der Mercedesvertragswerkstatt erscheinen.
Wie immer bei mir: m.M.
Der Michael