Über den Mercedes SL der Baureihe R129 muss man nicht viele Worte verlieren – er hat einen festen Platz als Youngtimer und angehender Klassiker. Umso interessanter fand ich den Ansatz von Martin aus Bruchsal, der sich ganz bewusst einen – wie er selbst liebevoll sagt – „Buchhalter-SL“ gesucht hat, den er mit viel Eigenleistung zum Klassiker reifen lässt. Martin hat dazu den nachfolgenden Erfahrungsbericht verfasst – und wer noch mehr über Martins SL wissen will, wird auf der eigens für das Auto erstellten Webseite fündig, deren Verlinkung sich ganz am Ende des Beitrags findet!
Damit übergebe ich das Wort an Martin:
>>Wie alles begann, und warum es ein „Buchhalter“ sein sollte
Als 1989 der neue SL der Baureihe R129 an den Start ging, stand neben der Sicherheit insbesondere die Leistungsfähigkeit im Vordergrund: 326 PS im Achtzylinder und 231 PS im Vierventil-Sechszylinder zeigten der Konkurrenz, wo der Hammer hängt. Die damaligen Premiumprospekte präsentieren mit Leder ausgeschlagene Interieurs, aus deren mit Schaltern übersäter, wurzelholzgetäfelter Mittelkonsole der Automatikwählhebel herausragt und die Luxus pur versprechen.
Die Basis sieht freilich anders aus: Hier werkelt der noch aus dem Vorgänger bekannte Zweiventil-Sechszylinder mit vergleichsweise mageren 190 PS, geschaltet wird von Hand. Gesessen wird auf schnödem Stoff, wenn auch mit Karomuster. Nach genau so einem Exemplar habe ich 30 Jahre später gesucht – und es im Schwabenländle schließlich gefunden. Vier Jahre und 19.000 Kilometer später ziehe ich ein (Zwischen-) Fazit.
Heute weiß man, dass Mercedes-Fahrzeuge Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre ein Höchstmaß an Qualität und Wertigkeit erreicht hatten. Dem neuen R129 fiel als Technologie- und Imageträger eine besondere Rolle zu, zumal der 1971 präsentierte Vorgänger 18 Jahre lang in Produktion war. Dementsprechend schlug der neue Roadster ein wie eine Bombe. Die Kapazitäten im Bremer Werk reichten bei weitem nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Wartezeiten von bis zu fünf Jahren mussten hingenommen werden, Kaufverträge wurden mit üppigem Aufschlag gehandelt. Was lag im Jahr 2020, als Autos zunehmend zu fahrenden Computern mutierten und auch so aussehen näher, als einen zeitlosen SL zu erwerben, um ihn mit einem maximalen Eigenleistungsanteil zum Klassiker reifen zu lassen? Ich bezeichne mich zwar als fortgeschrittenen Schrauber, habe aber dennoch nicht wirklich Freude an Reparaturen, die bei einem über 30 Jahre alten Fahrzeug im Verhältnis zur Komplexität des Fahrzeugs steigen. Was nicht drin ist, kann nicht kaputt gehen – war einer meiner Gründe für einen „Buchhalter“; der andere war der Umstand, dass für manche so ein Fahrzeug ein langgehegter Traum ist, auf den lange gespart wird, um ihn sich dann wenigstens in der Basisversion erfüllen zu können. So ein Mensch wird eine ganz andere Beziehung zu „seinem Traumauto“ aufbauen und es entsprechend gepflegt haben. So ein Fahrzeug sollte es für mich deshalb sein!
Die Suche nach dem „richtigen“ SL für mich
Einfach war das Unterfangen nicht: Zwar waren jede Menge Fahrzeuge im Angebot, aber es dominierten die Achtzylinder. Bei den Sechszylindern handelte es sich meist um die 24-Ventil-Varianten, und falls doch ein Zweiventiler auftauchte, war er fast immer mit der antiquierten 4-Gang-Automatik verblockt, in deren Wandleröl viel Leistung umkommt. Es gab auf der einen Seite Top-Fahrzeuge, die durchweg sehr selbstbewusst bepreist waren. Den Gegenpol markierten Exemplare, die schon im Inserat grottig wirkten oder grundlegende Mängel aufwiesen.
Entsprechend elektrisiert war ich, als in der Nähe von Stuttgart ein 300 SL der ersten Bauserie aus 1991 angeboten wurde. In almandinrot metallic, ohne Klima, Leder und Automatik, dafür aus zweiter Hand, mit 147.000 Kilometern und scheckheftgepflegt für 13.900 Euro Verhandlungsbasis. Beim umgehend vereinbarten Besichtigungstermin rollte ein Fahrzeug aus der Garage, dass sich im absoluten Originalzustand befand. Gefahren wurde es von der mittlerweile verstorbenen Fabrikantengattin, die sämtliche Services bei den zwei örtlichen MB-Niederlassungen durchführen ließ. Aber es gab auch Schattenseiten: Nachlackierungen wurden offen kommuniziert, der Motor war verölt und lief zu kühl, das Differential sang bei 80 km/h im Schiebebetrieb, alle vier Originalfelgen hatten heftige Bordsteinschäden, die Fahrersitzwange war aufgeschürft, ein „falsches“ Beckerradio verbaut, die Antennentülle und Motorhaubendämmmatte waren ebenso zerbröselt wie die Rosetten der Sonnenblendenhalterungen und viele Kleinigkeiten mehr… Handelseinig wurden wir uns an diesem Tag nicht. Mein Hinweis, dass das Ölen von einer defekten Zylinderkopfdichtung herrühren könne, wurde zur Kenntnis genommen. Auf mein Angebot, 12.000 Euro sofort in bar zu bezahlen und den zugelassenen Wagen gleich mitzunehmen, wollte sich das Verkäuferehepaar nicht einlassen. Erst eine Woche später wurden wir uns bei 12.250 Euro einig!
Auf meine Frage, warum der schöne Wagen eigentlich nicht schon längst verkauft ist, antwortete der Verkäufer: „Weil er rot ist, keine Automatik hat und kein Leder“. Des Menschen Wille ist eben sein Himmelreich!
Mängelbeseitigung und Pflege des 300 SL
Systematisch habe ich danach die Mängel beseitigt. Das Ölen rührte glücklicherweise nur von der berühmten „Soll-Siff-Stelle“ her, wo Motorblock, Zylinderkopf sowie unterer und oberer Stirndeckel zusammentreffen, und wo fast jeder Motor der Baureihe M103 leckt. Das Thermostat war schnell ersetzt. Zerbröselte Teile ersetzte ich durch Gebraucht- oder Neuteile. Um die Fahrersitzwange kümmerte sich mein Vater, seines Zeichens Polstermeister. Das korrekte Radio wurde besorgt, ebenso wie ein unbeschädigter Originalfelgensatz.
Natürlich gab es im Lauf der Zeit auch Defekte. So weigerte sich beispielsweise das Verdeck plötzlich, sich zu schließen. Den zahlreichen Foren und dem Vorhandensein einer On-Board-Diagnose sei Dank, dass auch solche Probleme in Eigenregie behoben werden konnten. Der R129 hat zwar einiges an Technik an Bord und auch eine Menge Elektronik. Diese verfügt aber jeweils über eigene Stromkreisläufe und Steuergeräte und lässt sich über das bordeigene Diagnosesystem überraschend gut auslesen. Wer über ein Mindestmaß an technischem Grundverständnis verfügt und ein wenig recherchiert, sollte vor keine unlösbaren Probleme gestellt werden, zumal grundlegende Brocken wie die KE-Jetronic als äußerst zuverlässig gelten. Viele Technikkomponenten kommen überdies aus dem Baukasten. So wurde der Motor hunderttausendfach in anderen Baureihen eingebaut und wäre im Bedarfsfall als Austauschaggregat für überschaubares Geld zu haben.
Ich lege Wert darauf, dass es sich bei meinem SL nicht um ein restauriertes Fahrzeug handelt, sondern dass es lediglich gut gepflegt wurde bzw. weiter gepflegt wird. Dementsprechend versuche ich möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten, anstatt einfach Neuteile einzubauen. Deshalb habe ich zum Beispiel die gebrochenen Scharniere der Türklappen repariert und nicht gleich ausgetauscht. Oder nach gebrauchtem Ersatz für eine gerissene Sonnenblendenhalterung gesucht, anstatt gleich die geforderten 72 Euro für ein Neuteil auf den Teiletresen zu legen. Das hilft auch, den SL nicht zum Sparschwein werden zu lassen. Ich lege meinen Blick immer auch auf den Wertverlust bzw. –erhalt. Bewusst bin ich mir, dass die zunehmende Kilometerleistung den Wert sicher nicht steigert. Aber ich habe mir den SL nicht als Kapitalanlage gekauft sondern für das, wofür er mal gebaut wurde: Zum Fahren!
Da ich den Kolleginnen und Kollegen, die ihre Erfahrungen in den verschiedenen Foren teilen, sehr dankbar bin, bringe ich mich dort auch gerne ein. Die sehr gelungenen Seiten x308.net sowie diese Schwesterseite von Michael haben mich ermutigt, meine Postings, die ich in allen möglichen Foren zum Besten gegeben habe, in einer eigenen Homepage zu bündeln. In erster Linie tue ich das für mich selber, um meine Tätigkeiten rund um den 300 SL zu dokumentieren, aber auch für andere, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befinden und den einen oder anderen Tipp als hilfreich empfinden.
Über diesen Link kommt gelangt man zu meiner Website über den 300 SL:
Mein (Zwischen-) Fazit nach vier Jahren und 19.000 Kilometern
Mein Fazit nach über vier Jahren und knapp 19.000 Kilometern: Der R129 ist wirklich eine Ausnahmebaureihe. Das Design wirkt immer noch frisch, die verwendeten Materialien sind wertig und langlebig. An diesem 33 Jahre alten Auto quietscht und klappert nichts. Nichts ist gerissen oder ausgeblichen. Alle Helferlein funktionieren wie sie sollen. Über manche Mucken wie die gelegentlich zickende elektrische Sitzverstellung oder die erwähnten Differentialgeräusche (hört man nur mit aufgesetztem Hardtop) sehe ich großzügig hinweg. Sämtliche Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten konnten problemlos in Eigenregie durchgeführt werden. Auch die Strategie, mir einen Buchhalter zuzulegen ist aufgegangen, weil dadurch manche Probleme erst gar nicht entstanden sind. Wie gut sich die Basisausstattung irgendwann mal wieder verkaufen lässt, wird sich zeigen. Aber ein Verkauf steht sowieso nicht zur Debatte. Die H-Zulassung macht meinen SL mit 192 Euro Steuern und 75 Euro Haftpflicht pro Jahr bei 5.000 km Fahrtstrecke in Verbindung mit dem Durchschnittsverbrauch von knapp über 9 Litern Super 95/100 Kilometern schließlich zu einem echten Vernunftauto. Und die Freude, bei schönem Wetter ohne Dach herumzucruisen, ist ohnehin unbezahlbar! <<