Die S-Klasse der 90er Jahre – genannt W140 – fasziniert mich seit dem Tag ihrer Markteinführung. Dagegen sah die Preisentwicklung des W140 bei meinen letzten Analysen 2017 und 2018 (Link zum Beitrag) aber noch recht flach aus. Preissteigerungen wie beim Mercedes W126 und auch beim Jaguar X308 waren kaum erkennbar. Das Jahr 2018 ist nun aber schon fünf Jahre her (ja ja, wie die Zeit vergeht…). Ich war deshalb selbst sehr gespannt auf dieses Update – so viel sei schon verraten: Das Preisniveau hat sich sichtlich verändert! Aber der Reihe nach…
Welche W140-Modelle gibt es derzeit auf dem Markt?
Um die Vergleichbarkeit zu meinen W140-Preisanalysen der letzten Jahr zu gewährleisten, habe ich den „Suchradius“ gleichgehalten. In meiner Analyse habe ich alle Fahrzeuge mit folgenden Merkmalen berücksichtigt:
- Angebote auf der Plattform mobile.de und klassifiziert als „S-Klasse“
- Erstzulassung zwischen 1991 und 1998
- Laufleistung bis zu maximal 250.000 km
- Nur Berücksichtigung von (fahrbereiten) Limousine, keine Coupés
- Standort Deutschland
In diesem Raster fanden sich am 7. März 2023 genau 136 Fahrzeuge. Diese teilen sich wie folgt auf die einzelnen Modellvarianten auf:
Die Sechszylinder-Modelle sind also führend mit 50% Anteil. Die beiden V8-Modelle machen zusammen immerhin 38% aus, damit bleiben noch rund 12% Marktanteil beim V12-Motor. Die seltenste einzelne Motorvariante ist aber dennoch nicht der S600, sondern der S280 mit 5% Marktanteil, gefolgt vom Turbodiesel in seinen zwei Motorvarianten.
Die Angebote verteilen sich erwartungsgemäß auf alle Regionen in Deutschland. Am stärksten vertreten sind die Postleitzahlen 3****, was nicht zuletzt am Händler Gassmann in Bovenden (PLZ 37120) liegen dürfte, auf den alleine 13 W140-Modelle im Suchraster entfallen, sowie die 4***, was sich dadurch erklärt, dass NRW schlicht das bevölkerungsreichste Bundesland ist.
Was kostet ein W140 Stand heute?
Er hat dabei eine durchschnittliche Laufleistung von 148.500 km. Diesen Durchschnittswerten liegt allerdings – wie so oft – eine große Spannweite zugrunde, wie das Diagramm zeigt. In der Punktewolke steht jeder Punkt für ein Fahrzeugangebot, das anhand von Preis und Laufleistung eingeordnet wird. Es zeigt sich erwartungsgemäß ein gewisser Zusammenhang von Preisen zur jeweiligen Laufleistung.
Das nachfolgende „Preis-Perzentil-Diagramm“ zeigt die Spannweiten der Preise für die einzelnen Modelle auf. Die oberen und unteren Punkte stehen dabei jeweils für den höchsten und niedrigsten Preis eines Modells. (Eine einfache Erläuterung dieses „Preis-Perzentil-Diagramms“ findet sich bei Bedarf hier.)
Es gibt also mittlerweile auch 300er für stolze 40.000 Euro, oder 600er für deutlich über 60.000 Euro. Diese Maximalwerte werden natürlich durch einzelne Angebote definiert. Interessanter, weil aussagekräftiger für den Gesamtmarkt, ist dagegen die Positionierung der Rechtecke. Diese stellen die mittleren 50% der Preisspanne eines Modells dar. Hier zeigt sich, dass alle Modellvarianten (außer dem 280er) an die 20.000 Euro herankommen (mit anderen Worten, 25% der angebotenen Modelle kosten mehr als 20.000 Euro).
Eine Überraschung: Das „neue“ Preisniveau des S600
Und dann gibt es da noch eine markante Überraschung: Das Preisniveau des S600 hat sich massiv von den anderen Modellen abgesetzt. Sein Durchschnittspreis liegt bei 33.900 Euro, das ist mehr als das doppelte des S320 und im Vergleich zum Durchschnittspreis eines S500 immer noch ein Plus von 80%.
Es ist ganz offensichtlich so, dass der Markt den Zwölfzylinder als besonders wertvoll und erhaltenswert einschätzt.
Wie haben sich die Preise in den letzten Jahren entwickelt?
Überraschend positiv! Alle Modellvarianten haben sich seit 2018 im Durchschnittspreis deutlich nach oben entwickelt. Wenn man den Durchschnittspreis über alle Modellvarianten vergleicht, ist seit 2018 ein Plus von 33% zu verzeichnen – das sind immerhin rund 6% pro Jahr.
Preisentwicklung des S320
Der S320 konnte sich überproportional stark entwickeln. Vorbei sind die Zeiten, in denen man einen S320 noch für durchschnittlich (!) 10.500 Euro bekam, wie im Januar 2017. Heute sind mit einem Durchschnittspreis von 15.400 Euro ganze 47% mehr fällig!
Preisentwicklung des S500
Ebenfalls positiv, aber weniger drastisch war die Preisentwicklung bei den V8-Modellen, die aber im Jahr 2017 auch schon merklich höher lagen. Am Beispiel des S500 waren 2017 durchschnittlich 15.600 Euro fällig, heute sind es 18.900 Euro. Immerhin ein Entwicklungsschritt von 21%, aber der Abstand zwischen S320 und S500 im Markt ist damit ein Stück weit geschmolzen.
Preisentwicklung des S600
Kommen wir also nochmal zur Überraschung dieses Artikel, den Preisen des 600er. Die Preise des Zwölfzylinders waren in den früheren Analysen weniger auffällig. Ja, die 600er lagen auch zuvor schon leicht über den anderen Modellen. Bei meiner Analyse im Jahr 2018 kostete ein S600 durchschnittlich 21.247 Euro und damit 23% mehr als ein S500. Das sieht jetzt ganz anders aus: Der Durchschnittspreis eines S600 ist von 16.500 Euro im Jahr 2017 auf nunmehr 33.860 Euro gestiegen und hat sich damit mehr als verdoppelt!
Soweit zu den Zahlen – es bleibt die Frage, was man eigentlich fürs Geld konkret bekommt…
Was bekommt man am Markt im Moment fürs Geld?
Um die Statistiken mit etwas Leben zu füllen, habe ich fünf einzelne Angebote („Beispiele“) herausgepickt, auf die ich nachfolgend eingehen möchte.
- Beispiel 1: Der teuerste W140 im Angebot
- Beispiel 2: Der zweitteuerste W140
- Beispiel 3: Der W140 mit der (zweit-) niedrigsten Laufleistung
- Beispiel 4: Der billigste W140
- Beispiel 5: Ein W140 aus der „goldenen Mitte“
Beispiel 1: Der teuerste W140 auf dem Markt (oder: Ist ein AMG Bodykit wirklich so viel wert?)
Wir haben gesehen, wie stark die Preise des S600 zugelegt haben. Steigen wir an der preislichen Spitze ein und werfen einen Blick auf den teuersten Zwölfzylinder am Markt. Es handelt sich um einen S600 aus dem Jahr 1993 mit 110.000 km Laufleistung, der für 65.000 Euro angeboten wird. Bilder und Angebotstext offenbaren, dass es sich um einen japanischen Reimport handelt (was normalerweise zu einem gewissen Preisabschlag führen sollte). Argumentiert wird der stolze Preis damit, dass es sich um einen W140 mit originalem AMG-Bodykit ab Werk handelt. Das ist zugegebenermaßen sehr selten – ob es einen solchen Preis rechtfertigt, dürfte im Auge des Betrachters liegen. Mich persönlich lässt diese Preisfindung schlicht staunen.
Beispiel 2: Der zweit-teuerste W140 (oder: warum sind die 600er alle so teuer geworden?)
Werfen wir einen Blick auf die Nummer 2 der preislichen Pole Position. Es handelt sich nochmal um einen S600, dieses Mal aus dem Jahr 1995 und mit 128.000 km Laufleistung. Als Preis werden 59.999 Euro angesetzt. Dieses Mal hat das Auto keinen AMG-Bodykit, wird aber als Brabus-Fahrzeug angepriesen. Das ist hier aber deutlich weniger stichhaltig als beim vorherigen AMG-Modell. Den Fotos nach zu urteilen handelt es sich um einen regulären S600 mit Brabus-Felgen und Brabus-Auspuff. Diese Komponenten dürften einen Gegenwert von rund 5.000 Euro haben. Die Fotos offenbaren am Schriftzug des Automatik-Wählhebels, das es sich um einen Reimport aus Spanien handeln dürfte (der Angebotstext erwähnt das leider nicht). Kurzum, die Preisfindung ist für mich hier noch weniger verständlich als beim vorherigen Modell…
Beispiel 3: Der W140 mit der (zweit-) geringsten Laufleistung
Werfen wir einen Blick auf die W140 mit der geringsten Laufleistung. (Es gab ein Inserat mit unter 10.000 km, das Fahrzeug war aber noch nicht hinterlegt da im Zulauf aus Japan. Deswegen weiche ich hier einfach auf den W140 mit der zweitgeringsten Laufleistung aus.) Es handelt sich um einen 300 SE von 1992 mit nur 28.6000 km Laufleistung, der für 21.800 Euro angeboten wird. Die Bilder von Kofferraumdeckel (kleiner Kennzeichenausschnitt) und Automatik-Kulisse offenbaren, dass es sich auch hier um einen Reimport aus Japan handelt. Im Angebotstext findet sich darauf leider kein Hinweis. (Ich finde es immer wieder unglücklich, so etwas unerwähnt zu lassen.) Mit unter 30.000 km Laufleistung würde ich erwarten, dass das Auto zumindest optisch fast neuwertig dasteht. Anhand der Fotos bin ich dann doch überrascht, dass sowohl beide Sitze vorne als auch die Rückbank schon gewisse Abnutzungsspuren zeigen. (Man vergleiche das mit den Sitzen von „Beispiel 5“ weiter unten, der mehr als 100.000 km gelaufen hat.) Die Laufleistung würde ich deshalb bei einer Besichtigung kritisch hinterfragen (so gut das bei einer japanischen Historie eben geht). Ansonsten macht das Auto auf den Fotos einen passablen Eindruck.
Beispiel 4: Der billigste W140 – was bekommt man am unteren Ende der Preisskala?
Kursschwenk zum anderen Ende der Preisskala: Der billigste, fahrbereite W140 mit unter 250.000 km ist ein 1995er S350 Turbodiesel, der für 7.290 Euro angeboten wird. Ein erstes Indiz auf den Zustand ergibt sich im Angebotstext: Eine gültige Hauptuntersuchung sei möglich, koste aber Aufpreis. Ernüchternd sind auch die Lackbilder von Motorhaube und Kofferraum, man fragt sich, was der verantwortliche Vorbesitzer da mit seiner S-Klasse gemacht haben könnte. Die Bilder vom Innenraum geben leider nicht viel her, außer dass dieser W140 lange nicht mehr gründlich gereinigt wurde. Immerhin ist die Ausstattung durchaus ansehnlich. Im Gesamteindruck bleiben daher ernsthafte Zweifel, ob man sich mit diesem Auto für über 7.000 Euro einen Gefallen tut…
Beispiel 5: Was bekommt man in der „goldenen Mitte“?
Nach den Extrempunkten möchte ich zu guter Letzt einen Blick auf die goldene Mitte werfen, wobei dieser S320 mit 15.900 Euro ein gutes Stück unter den 18.000 Euro Durchschnittspreis eines W140 liegt. Dennoch hat er offenbar gerade mal 100.000 km gelaufen. Der absolut positive Ersteindruck von den Fotos untermauert, dass es sich um eine S-Klasse mit überschaubarer Laufleistung und sehr gutem Pflegezustand handeln könnte. Auch die Ausstattung ist mehr als passabel, mir persönlich gefällt auch die Lackierung in malachitgrün-met. ausgesprochen gut! Größter „Warnhinweis“ könnte sein, dass das Auto die letzten sieben Jahre in einer Halle stand und nicht bewegt wurde, aber es gibt immerhin eine neue HU/AU.
Von allen fünf Beispielen ist dieses Modell das einzige, das ich mir vor Ort näher anschauen würde, wenn ich auf der Suche nach einem W140 wäre!
Das Fazit
Die Preise für den W140 sind in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen, im Mittel um 33% oder 6% pro Jahr. Trotz Preisanstieg finden sich aber in der „goldenen“ Mitte der Preisskala offenbar immer noch sehr attraktive Fahrzeuge. Man muss mittlerweile allerdings etwas mehr Zeit in die Suche investieren, um gute Fahrzeuge zu überschaubaren Preisen trennen zu können von den weniger guten Fahrzeugen zu völlig überzogenen Preisen. Es könnte gut sein, dass das in weiteren fünf Jahren nicht mehr ohne weiteres möglich sein wird…
Wie sind Eure Erfahrungen mit der Preisentwicklung des Mercedes W140? Wie immer freue ich mich über Kommentare zum Thema unterhalb dieser Seite!
Schon heftig wie sich die aufgerufenen Preise entwickelt haben.
Wenn ich daran denke dass ich meinen 95er S320 im Jahr 2014 für 3800€ gekauft habe…
Wobei ich seitdem bestimmt auch 3000€ an Investitionen getätigt habe.
Trotzdem ein Glücksgriff.
Mittlerweile sind die Autos auch ziemliche Sympathieträger geworden.