Die ersten beiden Teile der Kaufberatung haben sich mit der Auswahl des Modells und der Fahrzeugsuche im Internet beschäftigt. Besonders spannend wird es jetzt: Der erste Vor-Ort-Termin, man steht dem Objekt der Begierde gegenüber und sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, in kurzer Zeit eine große Menge an Eindrücken zu erfassen.
Teil 3 der Youngtimer-Kaufberatung fasst zusammen, worauf man bei Besichtigung und Probefahrt achten sollte.
- Vor der Suche – welcher Klassiker der 1990er Jahre ist der richtige für mich?
- Die Fahrzeugsuche – wie suche und finde ich meinen Traum-Youngtimer im Netz?
- Besichtigung & Probefahrt – worauf sollte ich vor Ort am Fahrzeug achten?
- Fahrzeugkauf & Übernahme – wie läuft der Kauf ab und worauf kommt es bei der Übernahme an?
Ich habe diesen Teil in mehrere Abschnitte gegliedert; die Idee ist, dass man die Chronologie des Beitrags als Ablaufschema für den Termin nutzen kann.
Fahrzeugbesichtigung vor Ort – erste Inspektion des Fahrzeugs
Wenn man ein Fahrzeug besichtigt, sollte man sich zuvor mit den wesentlichen Kriterien vertraut machen. Es macht Sinn, vor Ort eine Checkliste zu nutzen, damit man nichts vergisst.
Oft ist schon das Gespräch mit dem Verkäufer eine Ablenkung, bei der es schwer fällt, sich auf das Fahrzeug zu fokussieren. Das ist auch ein wesentlicher Grund, einen solchen Termin zu zweit wahrzunehmen: Einer kann primär das Gespräch mit dem Verkäufer führen, der andere kann sich voll auf das Fahrzeug fokussieren.
Wenn man mit der Technik des jeweiligen Fahrzeugs noch nicht vertraut ist, kann es sinnvoll sein, einen Kfz-Meister oder Sachverständigen mitzunehmen, der den Fahrzeugtyp gut kennt. Viele Kfz-Meister bieten solche Termine gegen eine Kostenpauschale an.
Untersuchung des Äußeren
Ich starte grundsätzlich mit einer gründlichen Tour um das Äußere des Fahrzeugs. Dabei habe ich vor allem folgende Aspekte im Blick:
- Hat das Fahrzeug Beulen oder Kratzer?
- Ist das Fahrzeug nachlackiert? Das lässt sich an Unterschieden im Farbverlauf optisch erkennen (zumindest, wenn der Lack sauber und trocken ist), oder mit einem Lackschichtdickenmessgerät. Ein solches Gerät hat den Vorteil, dass es auch gespachtelte Stellen unter dem Lack offenbart.
- Sind alle Zierteile und Gummi-Dichtungen in Ordnung?
- Sind die Lampen beschädigungfrei? Gibt es Feuchtigkeit in Leuchten oder Blinkern? Haben Kunststoffteile wie z.B. die Rücklichter Risse?
- Sind die Spaltmaße an Türen, Motorhaube und Kofferraumdeckel gleichmäßig und gerade?
- Gerade bei teuren und seltenen Alufelgen sollte man kontrollieren, ob diese Beschädigungen oder Risse haben?
Es gibt kaum einen Youngtimer, der gänzlich ohne Beschädigungen dasteht. Es ist deshalb sinnvoll, gedanklich zwischen „Kleinigkeiten“ einerseits und „größeren Baustellen“ andererseits zu unterscheiden.
Gründlicher Blick unter das Auto
In der Regel hat man bei der ersten Besichtigung keine Hebebühne zur Verfügung, um unter das Auto zu gucken. Nichtsdestotrotz sollte man immer einen Blick unter das Fahrzeug werfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit dem Smartphone brauchbare Schnappschüsse unter dem Fahrzeug fotografieren und dann auf dem Bildschirm betrachten kann (einigermaßen vernünftige Lichtverhältnisse vorausgesetzt).
Die Begutachtung des Unterbodens zielt vor allem auf zwei Aspekte: Rost einerseits und ölfeuchte Stellen andererseits. Beides sind Baustellen, die sich – wenn sie denn auftreten – vor Ort nur schwer in ihrem Umfang eingrenzen lassen, aber zumindest weiß man, dass einen dort etwas erwartet.
Auf der Suche nach Rost
Die Suche nach Rost gehört grundsätzlich zu den wichtigsten Punkten bei der Besichtigung; das betrifft ausdrücklich auch Fahrzeuge, die optisch auf den ersten Blick erstklassig dastehen! Es gilt, umfassend nach Roststellen zu suchen, denn wenn die Karosserie an wesentlichen Punkten – die auch versteckt liegen können – rostet oder sogar durchgerostet ist, kann es aufwändig und teuer werden. Auch verzinkte Autos wie z.B. von Audi oder Porsche können rosten, weil die Verzinkung durch Unfälle und Instandsetzungen beschädigt worden sein kann. Allgemein sollte man folgende Stellen auf jeden Fall im Hinblick auf Rost untersuchen:
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Radlauf und Innenseite der Kotflügel sind aufgrund der tiefen Lage und dem permanenten Steinschlag von den Reifen typischerweise rostgefährdet.
- Schweller unterhalb des Türeinstiegs sind aufgrund der tiefen Lage ebenfalls rostgefährdet, aber in der Regel durch Einstiegsleisten verdeckt – man sollte den Schwellerbereich aber nichtsdestotrotz auf Symptome wie Rostbläschen unter dem Lack hin untersuchen.
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Wagenheber-Aufnahmen sind je nach Modell interessant, wenn sie – wie zum Beispiel bei BMW oder Mercedes der 90er Jahre – einen Blick „ins Innere“ erlauben (siehe eines der Bilder unter diesem Abschnitt).
- Die Unterseite der Türinnenkanten sollte man bei allen Türen akribisch untersuchen. Auch sie sind durch ihre tiefe Position nahe am Boden permanent Spritzwasser und Steinschlägen ausgesetzt und sollten rostfrei sein.
- Spannend ist auch ein Blick in die Reserveradmulde unter dem Kofferraum. Sie sollte unbedingt trocken und sauber sein.
- Entlang der Gummidichtung rund um Frontscheiben- und Heckscheibeneinfassung sollte man nach Symptomen für Rost suchen, wie zum Beispiel kleine Bläschen im Lack.
- Sehr interessant ist natürlich der Blick unter das Fahrzeug, um den Zustand von Fahrwerksteilen, Seitenschwellern und Abgasanlage zu bewerten.
Generell sollte man sich bewusst machen, dass jeglicher Rostansatz nach dem Kauf einer Behandlung bedarf. Das muss kein Drama sein – kleine Rostbläschen am Radlauf lassen sich mit dem Einsatz weniger Hundert Euro dauerhaft beseitigen. Gibt es aber mehrere solcher Baustellen, können sich die Kosten dafür erstens auf eine größere Summe addieren, und zweitens wirft dieser Umstand Fragen darüber auf, wie es um Rostbildung an den versteckten Stellen bestellt ist!
Der kritische Blick in den Motorraum
Übrigens lassen sich dem Motoröl selbst auch Informationen entnehmen. Wer es ganz genau wissen will, kann sogar Ölproben an einen Dienstleister zur Analyse senden (wobei ich das selbst noch nie gemacht habe). In jedem Fall sollte man sich das Öl an Deckel und Messstab genau ansehen. Sind am Deckel weiß-gelbe Flecken im Öl sichtbar, so ist dies in der Regel eine Emulsion aus Öl und Kondenswasser, das sich bei hohem Kurzstreckenanteil am Deckel niederschlägt. Wenn dann allerdings noch das Öl am Messstab milchig ist und das Kühlwasser ölig ist, deutet vieles auf eine defekte Zylinderkopfdichtung hin. Deswegen unbedingt auch das Öl am Meßstab anschauen.
Deswegen sollte man auch das Kühlwasser ansehen und eine Geruchsprobe nehmen. Wenn es sichtbare Spuren oder Aromen von Motoröl im Kühlwasser gibt, ist mit ziemlicher Sicherheit die Zylinderkopfdichtung undicht und ein Austausch steht an.
Man sollte den Motorraum außerdem auf Serviceaufkleber und Ölwechselanhänger hin untersuchen. Wenn sich ein Anhänger findet, demgemäß der letzte Ölwechsel bereits etliche Jahre zurückliegt, liegt der (wenig erfreuliche) Rückschluss nahe, dass sich in den letzten Jahren auch keine Werkstatt mehr darum gekümmert hat.
Ein Motorraum sollte sich grundsätzlich in einem technisch vernünftig gewarteten Originalzustand darstellen. Gebastelte Abdichtungen und Isolierungen wie im nachfolgenden Bild mögen funktionieren, sind aber wenig vertrauenserweckend, was das Instandhaltungs-Budget des Vorbesitzers angeht.
Im Motorraum offenbaren sich auch Indizien, die nicht direkt etwas mit dem Motor zu tun haben. So haben verschiedene Fahrzeugmodelle verschraubte Bleche, die werksseitig in Wagenfarbe lackiert wurden. Beim Mercedes SL der Baureihe 129 beispielsweise sind die Kotflügel mit den Strukturteilen der Karosserie verschraubt. Wenn diese Schrauben – wie auf dem nachfolgenden Bild sichtbar – nicht mehr die Lackierung des Fahrzeugs tragen, wurden sie bereits einmal geöffnet. Der Verkäufer sollte dann den Hintergrund plausibel darlegen können, und man sollte das Fahrzeug in diesem Bereich auf Anzeichen für einen Unfallschaden (Spaltmaße) untersuchen.
Auch im Motorraum sollte man die Suche nach Rost fortsetzen. Insbesondere unter Gummidichtungen und Plastikabdeckungen kann Rost im Verborgenen blühen. Deshalb ist es ratsam, auch im Motorraum nach Roststellen zu suchen, wie die beiden nachfolgenden Bilder beispielhaft belegen.
Man sollte mit dem Motorraum insoweit vertraut sein, dass einem nachträglich verbaute Komponenten ins Auge fallen. Ein Beispiel dafür sind Komponenten wie die auf dem u.s. Foto: Hier handelt es sich um einen nachgerüsteten Kaltlaufregler. Sie wurden gerade bei Fahrzeugen mit größeren Motoren Anfang der 1990er Jahre gerne nachgerüstet, um von Schadstoffklasse Euro1 auf Euro2 zu kommen und damit die Steuerlast zu reduzieren. Der KLR gibt dem Motor im Kaltstart und der Warmlaufphase mehr Luft, was u.U. zu Magerruckeln und schlechterer Gasannahme führen kann, bis der Motor warm ist. Da sollte man Leerlauf und Gasannahme bei kaltem Motor testen!
Im Innenraum des Fahrzeugs
Nach der Begutachtung des Äußeren und des Motorraums ist die Begutachtung des Innenraums des logische nächste Schritt. Dabei würde ich zunächst den Gesamteindruck bewusst wahrnehmen: Macht der Innenraum einen gepflegten Eindruck? Wenn nein, warum nicht? Wie riecht das Fahrzeug? Wenn es modrig, verraucht oder sonstwie unangenehm riecht, sollte man versuchen, der Ursache auf den Grund zu gehen.
Ich widme mich gezielt der Frage, ob alle Schalter und Displays so funktionieren, wie sie das sollen. Bei der Vielzahl an Funktionen in einem Luxusauto der 1990er Jahre muss man sich dieser Frage mit einer gewissen Aufmerksamkeit widmen, um nichts zu übersehen.
Im Inneren begegnet man bei klassischen Fahrzeugen häufig Ledersitzen und -lenkrädern mit abgenutzten, verschlissenen Oberflächen. Das kann in Liebhaberhand so natürlich nicht bleiben. In aller Regel ist das aber kein Grund zur Sorge: Lederoberflächen lassen sich normalerweise mit ein paar Hilfsmitteln wieder sehr gut instandsetzen, solange das Leder nicht komplett eingerissen ist. Wenn man sich damit näher beschäftigen will, sind die „typischen Lederfragen“ des Lederzentrums ein guter Startpunkt. Ich selbst habe beispielsweise in diesem Beitrag erfolgreich ausprobiert, wie sich ein stark abgenutztes Lederlenkrad wieder dauerhaft in einen absolut ansehnlichen Zustand versetzen lässt.
Nicht ganz so einfach ist es im Falle eines durchhängenden Dachhimmel, den man zum Beispiels bei Fahrzeugen von BMW oder Jaguar aus den 1990er Jahren häufig antrifft. Überzeugende Hilfsmittelchen gibt es da nicht wirklich – Fixierungen mit Stecknadeln ergeben kein ansehnliches Bild, und auch die Tipps, mit Sprühkleber zu arbeiten, kann man getrost vergessen. Man braucht entweder einen neuen Dachhimmel oder einen Sattler, der den vorhandenen Dachhimmel neu bezieht. Das ist kein Drama, aber man sollte mit Gesamtkosten von 800 bis 1.000 Euro rechnen. Ich habe zur Erneuerung des Dachhimmels in meinem Jaguar X308 in diesem Beitrag einen Erfahrungsbericht verfasst.
Etwas unschöner als ein hängender Dachhimmel – bzw. möglicherweise schwieriger zu beheben – sind beschädigte Teile der Innenverkleidung. Man findet beispielsweise immer wieder mal Bohrungen für Telefonhalterungen und dergleichen an der Mittelkonsole. Wozu die beiden Löcher hinter der B-Säule des W140-Coupés auf dem u.s. Foto eingebracht wurden, konnte mir der Verkäufer übrigens selbst nicht erklären – sie stammten von einem der Vorbesitzer. Rein funktional könnte man das so belassen, mich würde es aber stören. Wenn man das vernünftig beheben will, hilft nur ein Austausch des kompletten Verkleidungsteils – entweder gegen ein Neuteil, wenn es das in der gewünschten Farbe noch gibt (was bei 30 Jahren alten Fahrzeugen zunehmend häufig nicht mehr der Fall ist), oder die Suche nach einem „guten“ Gebrauchtteil vom Teilehändler.
Die Suche nach nicht-originalen, nachgerüsteten Bauteilen setzt sich im Innenraum fort. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurden bei wertvolleren Fahrzeugen häufig elektronische Wegfahrsperren und Alarmanlagen nachgerüstet, um den Versicherungstarif zu senken. (Ab 1998 mussten in Deutschland neu zugelassene Pkw werksseitig mit einer elektronischen Wegfahrsperre ausgerüstet sein, so dass die Notwendigkeit von Nachrüstlösungen ab Mitte der 1990er abgenommen hat.)
In der Regel basieren nachgerüstete Wegfahrsperren technisch auf RFID-Transpondern oder Funkfernbedienungen, die zusätzlich zum Fahrzeugschlüssel erforderlich sind, um das Auto zu starten. So eine Lösung ist im Grundsatz unkritisch, hat aber zwei Nachteile: Die Lösung ist erstens nicht original und oft ästhetisch wenig ansprechend. Zweitens (und wichtiger) können diese elektronischen Nachrüstlösungen im Alter unzuverlässig und damit schlichtweg lästig werden.
Wenn man deshalb beim Kauf eines Youngtimers mit dem Gedanken spielt, eine nachgerüstete Wegfahrsperre wieder rückzurüsten, sollte man idealerweise beim Kauf des Fahrzeugs auch Unterlagen – insbesondere einen Schaltplan – für diese Lösung übergeben bekommen.
Zur Untersuchung des Innenraums gehört in jedem Fall auch der Kofferraum. Insbesondere sollte die Reserveradmulde trocken, rostfrei, sauber und frei von Spuren sein, die auf Unfallschäden hindeuten. Letztere sind in der Regel durch Schweißspuren und Nachlackierungen gut zu erkennen.
An dieser Stelle sollte man auch prüfen, ob das werksseitige Zubehör, das zum Auto gehört, vorhanden ist. Dazu können zum Beispiel gehören:
- Hardtop (das z.B. bei einem Mercedes SL der Baureihe R129 zum serienmäßigen Lieferumfang gehörte)
- Bordwerkzeug (es ist schlicht schön, wenn es noch original und vollständig vorhanden ist)
- Abnehmbare Anhängerkupplung (insofern sie als Sonderausstattung zum Lieferumfang gehörte)
Last not least ist es empfehlenswert, die tatsächliche Ausstattung des Fahrzeugs mit den Aussagen des VIN Decoders abzugleichen (insbesondere bei BMW und Mercedes, vgl. Beschreibung am Ende von Teil 2 der Youngtimer-Kaufberatung). Hier sollten sich natürlich möglichst keine Inplausibilitäten ergeben.
Die Papierlage
Nach der eingehenden Untersuchung des Fahrzeugs nehme ich mir Zeit, um die Papierlage sorgfältig zu sichten. Ich habe mehr als einmal erlebt, das bei sorgfältiger Durchsicht Erkenntnisse über die Historie des Fahrzeugs zutage gekommen sind, die dem Verkäufer selbst (vermeintlich) nicht bewusst waren.
Zur „Papierlage“ gehören typischerweise:
- Das mit dem Fahrzeug ausgelieferte Scheckheft für Werkstatteinträge
- HU-/AU-Berichte
- Werkstattrechnungen
- Alte Zulassungsbescheinigungen (Fahrzeugbrief), idealerweise ab der ersten Zulassung
- Bedienungsanleitungen, wie sie mit dem Fahrzeug ab Werk ausgeliefert wurden
- Unterlagen und Genehmigungen für nachgerüstete Bestandteile (z.B. Felgen), soweit vorhanden
Für mich hat das originale Scheckheft einen hohen Stellenwert, da es viel über die Historie des Fahrzeugs erzählt: Wo war das Auto zu welchen Zeitpunkten und mit welcher Laufleistung in der Werkstatt?
Schön ist es, wenn sich die Historie der Vorbesitzer anhand der offiziellen Zulassungsdokumente noch rekonstruieren lässt. In Deutschland handelt es sich dabei um den Fahrzeugbrief. Meiner Erfahrung nach ist der erste Fahrzeugbrief aber leider oftmals nicht mehr vorhanden.
Besonders wichtig können Zulassungspapiere beim Kauf eines Fahrzeugs im europäischen Ausland sein! Ich selbst habe einmal einen Mercedes 500 SL in Frankreich gekauft und konnte ihn in Deutschland nur deshalb problemlos zulassen, weil ich die letztgültigen französischen Zulassungsdokumente vorlegen konnte. Zum Zeitpunkt des Kaufs war mir diese Abhängigkeit noch gar nicht bewusst, ich hatte schlicht Glück, dass alles mit dem Fahrzeug übergeben wurde. Deswegen sollte man sich beim Kauf im Ausland vorher informieren, was nachher zur Zulassung in Deutschland erforderlich ist.
Auch Werkstattrechnungen sind wertvoll und ich bin dankbar, wenn sie vollständig vorhanden sind und übergeben werden können. Es ist beispielsweise gut zu wissen, wann und bei wem ein Getriebe überholt wurde, wie in der u.s. Rechnung, die ich mit meinem damaligen 1992er Mercedes 500 SL erhalten hatte.
Zu den Dokumenten gehört natürlich auch die originale Bordmappe mit den enthaltenen Anleitungen und Broschüren. Man sollte sich deshalb vor dem Kauf idealerweise auch Klarheit darüber verschaffen, mit welchen Dokumenten das jeweilige Fahrzeug ab Werk ausgeliefert wurde.
Dann gibt es noch das Thema der Anbau- und Tuningteile, die vielleicht zeitgenössisch sind, aber nicht original zum Fahrzeug gehören. Typische Beispiele sind Aftermarket-Alufelgen oder Endrohre. Dazu sollten Genehmigungen vorliegen, da diese Komponenten ja selbst auch schon mehrere Jahrzehnte alt und neu u.U. gar nicht mehr verfügbar sind. Als Dokumente kommen dazu infrage eine EG-Genehmigung, ein Teileguachten oder eine Einzelabnahme durch einen anerkannten Sachverständigen.
(Bilder dazu gibt es in diesem Beitrag.)
Auf zur Probefahrt
Wir haben nun also das Fahrzeug aus allen Perspektiven inspiziert und die Papierlage akribisch geprüft. Auf geht’s also zur Probefahrt! Aber Moment: Die Probefahrt beginnt, bevor die Räder rollen!
Der erste Prüfpunkt sollte die Zündung auf zweiter Stufe sein, bevor der Motor startet. Es gibt einen Grund, warum in dieser Zündstufe die Warnlampen im Kombiinstrument leuchten: Damit sich ihre grundsätzliche Funktion kontrollieren lässt! Es gibt bei älteren Fahrzeugen mit komplexer Elektronik leider die Unart, Elektronikprobleme dadurch zu lösen, dass die entsprechende Warnanzeige im Kombiinstrument schlicht stilgelegt wird. Das ist natürlich mehr als fragwürdig und offenbart sich dem aufmerksamen Beobachter nur in der Zündstufe 2, wie das nachfolgende Bild zeigt.
Beim Start zur Probefahrt sollte der Motor idealerweise kalt sein, da auch das Kaltstartverhalten geprüft werden sollte, wenn man beispielsweise an die Funktionalität einer relaisgesteuerten Kaltstartanreicherung oder auch an den zuvor bereits erwähnten Kaltlaufregler denkt.
Der Motor sollte beim Kaltstart wie beim Warmstart gut starten und einen stabilen Leerlauf aufweisen. Bei kaltem Motor ist es gerade bei vielen älteren Modellen hingegen völlig normal, dass die Leerlaufdrehzahl zur schnelleren Erwärmung der Katalysatoren zunächst etwas höher liegt und sich dann absenkt. Zu den „richtigen“ Leerlaufdrehzahlen beim Kalt- und Warmstart gibt es Dokumentationen im Netz, beispielsweise in diesem Beitrag auf meiner Seite für den Jaguar X308. Es lohnt sich, das bei der Probefahrt im Auge zu haben und zumindest grob zu überprüfen!
Beim Start des Fahrzeugs können auch verschiedene Fehlermeldungen in Form von Warnlampen oder Warntexten auftreten, die man nachvollziehen sollten. Der Warnhinweis auf ein defektes Bremslicht wie im nachfolgenden Bild anhand eines BMW E32 dargestellt ist unkritisch, wenn das Bremslicht tatsächlich defekt ist. Bei dieser Probefahrt lag die Sache aber anders: Das Bremslicht funktionierte einwandfrei, es handelte sich um einen „Phantomfehler“, der seine Ursache irgendwo in der Fahrzeugelektronik hat. Das kann unter Umständen eine langwierige Fehlersuche bedeuten…
Für die Probefahrt selbst ist es ebenso sinnvoll, wenn man zu zweit unterwegs ist und das unweigerlich breite Spektrum an Eindrücken aufnimmt. Die Probefahrt selbst sollte über ein abwechslungsreiches Spektrum von Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn führen, um das Fahrzeug in verschiedenen Betriebssituationen zu erleben. Dass man den kalten Motor schonend warmfährt und auch danach nur in Abstimmung mit dem Besitzer höher dreht, sollte sich von selbst verstehen.
Es ist kaum möglich, eine abschließende Auflistung zu erstellen, worauf bei der Probefahrt insgesamt zu achten ist. Ganz wesentlich ist aber, diese typischen Fragen im Auge zu haben:
- Läuft der Motor sowohl in kaltem als auch in warmem Zustand und in allen gängigen Drehzahlbereichen rund und problemlos?
- Sind die Beschleunigungswerte (bei warmem Motor, zum Beispiel von 60 bis 100 km/h als Referenzwert) grob im Rahmen des Soll?
- Sind Kupplung bzw. Automatikgetriebe in Ordnung und schalten so, wie sie es sollten und ohne Störgeräusche?
- Sind von Fahrwerk oder Radaufhängung mechanische Geräusche wie Klopfen, Quietschen oder Knarzen zu hören? Typische Ursachen solcher Geräusche sind defekte Radlager, verschlissene Buchsen (Knarzen) oder Traggelenke (Klopfen bei Bodenwellen), verschlissene Federn und Dämpfer (oft kommen dann weiches Kurvenverhalten oder trampelnde Räder dazu), gebrochene Federn, defekte Domlager (klappern auf holpriger Strecke).
- Gibt es Klappergeräusche oder sonstige Störgeräusche aus dem Innenraum, die nicht sein sollten?
- Zieht der Wagen beim Bremsen nach links oder rechts?
- Gibt es Auffälligkeiten beim Lenken und Kurvenfahren? (Gerade für diese Frage ist eine gewisse Vergleichsbasis mit dem jeweiligen Fahrzeugtyp sehr hilfreich.)
- Funktionieren Heizung und Klimaanlage? (Das ist naturgemäß bei sehr kaltem oder warmen Wetter jeweils nur eingeschränkt bewertbar.)
Gerade bei älteren Fahrzeugen ist eine persönliche Vergleichsbasis sinnvoll. Mit anderen Worten, wer einen bestimmten Fahrzeugtyp zum ersten Mal fährt, wird sich schwer tun mit der Frage, ob Lenkung und Fahrwerk in Ordnung sind.
Außerdem sei noch erwähnt, dass nicht alle Störfaktoren auf größere Probleme hindeuten müssen: Ich erinnere mich noch gut an die Probefahrt mit meinem Jaguar Daimler V8 in Regensburg, bei dem sowohl das Fahren als auch das Bremsen holprig waren. Die Ursache war simpel: Die Reifen und die Bremsscheiben hatten viele Jahre stillgestanden. Schon nach rund 100 Kilometer Fahrt war es deutlich besser, und ein Wechsel von Reifen, Bremsscheiben und -belägen löste das Problem vollständig.
Nach der Besichtigung
Unmittelbar nach der Probefahrt ist es gut, den Motorraum und den Unterboden nochmal im Hinblick auf ggf. ausgetretene Flüssigkeiten zu prüfen. Ansonsten sollte sich auf Basis der vorhergehenden Kriterien nun ein guter Eindruck vom technischen Zustand des Fahrzeugs ergeben haben. Nach der Verabschiedung vom Verkäufer notiere ich die wichtigsten Erkenntnisse (insbesondere die Mängel des Fahrzeugs) möglichst unmittelbar, in der Regel noch bevor ich wieder zuhause angekommen bin. Man vergisst sonst zu schnell einzelne Aspekte.
Auf Basis der Erkenntnisse aus Besichtigung und Probefahrt gilt es nun zu entscheiden, (a) ob das Fahrzeug überhaupt infrage kommt und (b) wenn ja, welcher Preis angesichts des Zustands plausibel erscheint. Beides sind erfahrungsgemäß schwierige Fragen, weil Emotion und Ratio besonders in dieser Situation nicht immer einer Meinung sind…
Und vor allem: Nicht zu schnell verlieben 🙂
Wenn es zum Kauf kommen sollte, kann Teil 4 der großen Youngtimer-Kaufberatung helfen: „Wie läuft der Autokauf ab und was ist danach zu beachten?“
Welche Erfahrungen habt Ihr mit Youngtimer-Probefahrten gemacht? Fehlen noch wichtige Tipps? Ich freue mich über Berichte und Anmerkungen in den Kommentarfeldern!