Bildquelle: Classic Driver
In meinem Teil 3 zu Youngtimer-Reimporten aus Japan geht es um die Frage, mit welchen Vor- und Nachteilen bei Youngtimer-Reimporten aus Japan im Allgemeinen zu rechnen ist. Diese Frage ist deswegen nicht ganz einfach, weil nicht alle Autos aus Japan gleich sind. Dennoch möchte ich beleuchten, ob die niedrigeren Preise für japanische Reimporte begründet sind, und ob das Verkaufsargument „kein Japaner“ (siehe z.B. nachfolgende Abbildung) höhere Preise wirklich rechtfertigt.
Fangen wir mit typischen, häufig anzutreffenden Nachteilen von Youngtimer-Reimporten aus Japan an.
1. Nachteil: Japanische Spezifikationen haben technische Besonderheiten
Autos mit japanischer Spezifikation unterscheiden sich technisch von ihren deutschen Pendants in diversen Details. In Teil 2 dieser Serie (Link zum Beitrag) habe ich diese Unterschiede am Beispiel von drei Youngtimern (BMW E32, Jaguar X300, Mercedes W126) analysiert. Ob und in welchem Maße diese Unterschiede wirklich relevant sind, hängt vom jeweiligen Modell ab und lässt sich deshalb nur im Einzelfall bewerten.
Für eine Zulassung in Deutschland sind in der Regel mindestens die Scheinwerfer, Nebelschlusslichter und das Radio umzubauen. Man sollte die werksseitigen Unterschiede beim Kauf eines spezifischen Fahrzeugs aus Japan im Einzelnen kennen, um sich selbst ein Bild zu machen, wie relevant diese sind!
2. Nachteil: Historie der Fahrzeuge kaum nachvollziehbar
Die Historie der Fahrzeuge bleibt in der Regel verborgen. Oftmals werden zwar Scheckhefte und Werkstattdokumente beigelegt. Es ist aber in der Regel nicht möglich, diese Dokumente zu lesen, geschweige denn ihre Echtheit (zum Beispiel durch Recherchen) nachzuvollziehen. Leider eröffnet das auch ein Spielfeld für gefälschte Fahrzeugdokumente, um vermeintlich niedrige Laufleistungen zu „belegen“.
Es wird schon allein aufgrund von Sprachbarrieren in aller Regel nicht möglich sein, mit den Vorbesitzern oder Werkstätten in Kontakt zu treten. Auch Wartungshefte werden in Japan anders geführt als hierzulande. Die Echtheit dieser Dokumente (sofern überhaupt vorhanden) wird sich also kaum feststellen lassen. Auf eine wirklich nachvollziehbare Historie muss man im Regelfall verzichten.
3. Nachteil: Hohe thermische Belastung trotz geringer Laufleistung
Ein Großteil der gehobenen Fahrzeuge stammt aus den Ballungsräumen in der Südhälfte Japans (v.a. Tokio, Yokohama, Osaka). Dort sind die Fahrzeuge einerseits in den Sommermonaten sehr hohen Temperaturen ausgesetzt und werden andererseits mit hohem Anteil im Stop-and-Go bewegt. Der niedrige Kilometerstand darf deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fahrzeuge aus diesen Regionen relativ zur Laufleistung mehr Betriebsstunden aufweisen als europäische Autos, und dass sie dabei höheren thermischen Belastungen insbesondere im Motorraum ausgesetzt waren. Deswegen liefern Hersteller wie z.B. BMW auch grundsätzlich nur „Heißlandausführungen“ in Japan aus. Diese Versionen zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass der Viskolüfter schneller dreht als in Europa, die Viskokupplung stärker ausgelegt ist, andere Riemenwellen zum Einsatz kommen, der Motorölkühler größer ist, etc. Im Volkswagen-Konzern gab es für neue Produkte den berüchtigten „Tokio-City-Test“, bei dem ein neues Modell 24 Stunden Stop-and-Go im Sommer in Tokio ohne Überhitzung überstehen muss. (Hinweis: Den Tokio-City-Test bei VW und die Probleme des Bugatti EB110 mit diesem Test erwähnt Dr. Thomas Bscher, damaliger Bugatti-Chef, im empfehlenswerten Interview im Podcast „Alte Schule“, Link zum Podcast.)
Durch diese thermische Belastung im Motorraum werden insbesondere Kunststoffteile strapaziert. Kabelbäume und Stecker im Motorraum zum Beispiel werden im Laufe der Jahre stark beeinflusst oder geschädigt, ohne dass die Fahrzeuge hohe Laufleistungen haben müssten. Ähnliches gilt für Zylinderkopf-, Stirndeckel- oder Ventildeckeldichtungen und dergleichen. Auch die Klebstoffe der Dachhimmel altern schneller und müssen teilweise schon nach 10 Jahren erneuert werden.
Es ist deshalb ganz entscheidend, bei Fahrzeugen aus Japan die Qualität der Kunststoffkabel und -stecker im Motorraum kritisch zu prüfen. Wenn man einen Kabelbaum freilegt und beim leichten Drehen und Drücken ein Knistern zu hören ist, sind die Isolationen vermutlich hinüber. Wenn Stecker beim Abklemmen in der Hand zerbröseln, wird es ebenfalls teuer. Ein anderes Indiz ist ein unruhiger Motorlauf bei einer Autowäsche in der Waschstraße (ggf. mit Unterbodenwäsche, im Fall des o.g. Mercedes S600 trat der Effekt aber auch ohne zutage).
Es gibt also ein paar potenzielle Nachteile, die man bei der Kaufentscheidung für oder gegen einen japanischen Reimport im Auge haben sollte.
Gleichermaßen gibt es natürlich auch Vorteile, die am Ende der Grund sind, warum Youngtimer aus Japan so häufig auf dem deutschen Markt anzutreffen sind. Diese sind im Wesentlichen die folgenden:
1. Vorteil: Niedrigeres Preisniveau als in Europa
Das Preisniveau für europäische Youngtimer der 1990er Jahre ist in Japan geringer als in Deutschland. Warum das so ist, darüber lässt sich viel spekulieren. Vor allem ist der Youngtimer-Markt der 1990er Jahre im technologieaffinen Japan noch nicht so „emotional aufgeladen“ wie in Europa. Ein Grund liegt wohl auch in den strikten Wartungs- und Abgasvorschriften in Japan, die auch ältere Fahrzeuge betreffen und den Unterhalt vglw. teuer werden lassen.
Diesen Preisvorteil kompensiert auch die Einfuhr nach Deutschland nicht. In der Regel bleiben die Kosten für Seetransport/ Verschiffung und Einfuhrzoll bei unter 2.000 Euro. Wer dazu näheres wissen will, wird hier fündig: https://kfzone.de/importrechner/
2. Vorteil: Oftmals sehr guter Pflegezustand
Es ist fester Bestandteil der japanischen Kultur, hochwertige Dinge sorgsam und pfleglich zu behandeln. Das gilt für öffentliches Eigentum, Graffiti auf Zügen und Gebäuden gibt es faktisch so gut wie nicht. Aber auch Privatbesitz wird entsprechend gut behandelt. So stehen Premium-Autos auch nach 20 Jahren sehr häufig noch „wie aus dem Ei gepellt“ da, insbesondere was den Innenraum angeht. In den Ballungszentren kommen in der Regel auch nicht viele Kilometer zusammen. Auch technisch wurden teure Fahrzeuge in der Regel sehr gut gewartet. In den 1990er Jahren mussten die Autos vor der Hauptuntersuchung (sog. „Shaken„) sogar noch durch eine komplette Inspektion in einer autorisierten Fachwerkstatt. Bei Nutzung in den Ballungszentren haben die Autos auch normalerweise wenig bis keinen Rost (außer das Auto kommt aus der Region Hokkaido, wo sehr kaltes Klima und Schnee die Regel sind, oder aus der Region Okinawa, wo die Inseln vom salzhaltigen Meerwasser umnebelt sind).
3. Vorteil: Premiumversionen als Linkslenker
Obwohl Japan ein Land des Linksverkehrs ist, wurden Premiumfahrzeuge aus Europa in den 1990er Jahren in der Regel als Linkslenker bestellt. Damit fügen sie sich natürlich bestens in das deutsche Straßenbild ein. Mit dem Teil 1 (Link zum Beitrag) gab es bereits einen Artikel zur Frage, welche Fahrzeuge auch in Japan als Linkslenker geliefert wurden.
Fazit
Wie so oft im Leben: Die Antwort auf die Frage, ob ein Youngtimer-Reimport aus Japan ein sinnvoller Kauf ist, lautet „kommt drauf an.“ Es gibt sehr viele besonders schöne und gut erhaltene Fahrzeuge aus Japan, aber auch viele mir persönlich bekannte Fälle, in denen es hohe Folgekosten aufgrund der thermischen Belastung gegeben hat. Für mich selbst kommen die japanischen Reimporte nicht infrage. Erstens habe ich zu oft von Problemen mit Elektrik, Elektronik und Dichtungen gehört, und zweitens habe ich schlichtweg zu viel Interesse an einer nachvollziehbaren Historie des Fahrzeuges. Ich würde aber mitnichten grundsätzlich von Reimporten aus Japan abraten: Es gibt im Einzelfall ohne Frage auch gute, lohnende Angebote auf dem Markt. Man muss sie eben nur finden…
WELCHE ERFAHRUNGEN HABT IHR MIT Reimporten von Youngtimern aus Japan GEMACHT? ICH FREUE MICH ÜBER FEEDBACKS ODER KOMMENTARE UNTERHALB DIESES BEITRAGS!
Mercedes SL 500 R129 (deutsche Spec) aus Japan mit 70.000 km über deutschen Händler (Sven Junge) vor 5 Jahren gekauft. Durchrepariert und teuer – aber gut. Keine Japan typischen Probleme. Japanimporte als „billig und risikobehaftet“ einstufen? Aus meiner Sicht nein. Bei Japanausführungen (Kennzeichemulde wie US und anderer Elektronik und Navi und und und) mag das anders sein. Wenn mein Fahrzeug zum Verkauf stehen würde, wäre es kein Schnäppchen, sondern ein besonders gepflegtes Sammlerfahrzeug mit EZ Japan.
Da würde ich uneingeschränkt zustimmen. Es gibt ohne Frage sehr gute Fahrzeuge mit einem früheren Leben in Japan (und den oftmals erstklassigen Pflegezustand habe ich im Beitrag ja bereits als typischen Vorteil aufgeführt)!
Hallo,
vielen Dank für diese wertvollen Informationen. Ich fahre noch keinen Jaguar, leider, nur einen W208 V6 aus dem Jahr 98. Allerdings interessiere ich mich für einen XK8. Gibt es dazu Informationen, wie es in Japan Ende der 90er mit dem Schwefelgehalt im Benzin bestellt war. Ich frage deswegen, weil ich gelernt habe, dass die Nikasil Beschichtung das nicht unbedingt verträgt. Gibt es eventuell bei den japanischen XK8 eine Begrenzung auf 200kmh?
Vielen Dank, Gruß aus Hamburg
Ich habe bislang noch nicht gehört, dass das Benzin in Japan in den 1990er Jahren stärker schwefelbelastet gewesen sei, wie es immer wieder mal über die USA berichtet wird. Es gibt sogar verschiedentlich Berichte, dass das Benzin in Japan bereits deutlich früher als in Deutschland sehr schwefelarm gewesen sei, siehe zum Beispiel dieser Bericht:
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schwefelarmer-sprit-in-sicht-606145.html
Eine Begrenzung auf 200 km/h könnte ich auch nicht bestätigen; sicher wissen tue ich es aber offen gestanden nicht!
Hallo Michael,
danke für die wirklich sehr hilfreichen Hinweise zu einem „Japan-Reimport“!
Aktuell soll ich einer Bekannten helfen einen SL 55 AMG Bj 2007 (Japan-Reimport 2018; ca. 40.000km; angeblich nur ein Vorbesitzer) zu verkaufen. Die Preisfindung ist für mich – trotz mobiele.de schon ein schwieriges Unterfangen. Ich schwanke zwischen 45 und 60.000 €.
Meine Suche bei https://www.dasparking.de/gebrauchtwagen/SL-55-AMG-2007.html
war auch nicht eindeutiger.
Viele Grüße aus Beilngries
Anton