Der Teil 1 meiner „automobilen Kindheitserinnerungen“ endete damit, dass soch unser Weg nach etlichen Modellen von den Marken VW und Audi trennte. Zu groß war der Ärger meines Vaters darüber, dass sich der VW-Konzern bei den kostspieligen Defekten seines (zwei Jahren alten) Audi 200 5E darauf berief, dass sich das Fahrzeug „weit außerhalb“ der (einjährigen) Gewährleistung befinde. Sein Weg führte in damals in die Mercedes-Benz Niederlassung Mönchengladbach.
4. Mercedes-Benz 280 SE (1985)
Im März 1985 gab mein Vater seinen Audi 200 5E bei Mercedes in Zahlung und den Kaufvertrag eines Mercedes 280 SE. Es handelte sich um einen Vorführwagen, der zwei Monate zuvor auf Mercedes erstzugelassen worden war. Dieser W126 in blauschwarz-met. war opulent ausgestattet. Er verfügte über Ledersitze, Sitzheizung, Memory-Sitze, Airbag, Standheizung, ein Becker Mexico u.v.m. Dementsprechend stolz war sein Preis: 82.536 DM sollte er als Vorführwagen kosten. Der vier Jahre alte Audi 200 wurde für überschaubare 12.536 DM von Mercedes in Zahlung genommen.
Ich war sieben Jahre alt, als wir den W126 bekamen und erinnere mich noch an die ersten Ausfahrten. Mein Vater war begeistert, was für einen Sprung die S-Klasse im Vergleich zum Audi 200 5E darstellte. Sie war deutlich größer, luxuriöser ausgestattet und mit 185 PS eben auch ein gutes Stück leistungsstärker.
Für mich ist dieser 280 SE bis heute das Familienauto, mit dem ich die meisten Kindheitserinnerungen verbinde. Mit ihm haben wir mindestens zwei Mal im Jahr ausgedehnte Urlaubsfahrten unternommen – im Sommer oft nach Südspanien, manchmal auch nach Frankreich oder Österreich.
Mein Vater war mit seiner S-Klasse sehr zufrieden und fuhr sie dementsprechend lange. Er hatte mit dem 280 SE in all den Jahren im Grunde keinen außerplanmäßigen Ärger. Rückblickend war der 280 SE eine teure Anschaffung, die sich aber über acht Jahre als sehr komfortable und völlig problemlose Limousine erwies.
Zaghafte Versuche meinerseits, meinem Vater 1991 einen Mercedes 300 SE der Nachfolge-S-Klasse W140 schmackhaft zu machen, scheiterten. Er gehörte zu denjenigen Mercedes-Fahrern, die sich mit dem wuchtigen Design des W140 so gar nicht anfreunden konnten. Ende 1993 – ich war mittlerweile 15 Jahre alt – entdeckte ich dann zusammen mit einem Schulfreund bei einem unserer Streifzüge durch die Autohäuser Mönchengladbachs den perfekten Nachfolger für unseren 280 SE.
Bei der Mercedes-Niederlassung in Mönchengladbach stand ein sehr schöner Mercedes 560 SEL in blauschwarz-met. für 59.900 DM. Es brauchte zu meiner Überraschung nicht viel, um meinen Vater zu interessieren. Der 280 SE war acht Jahre alt, und es reizte ihn, das gleiche Modell nochmal „in neu“ und mit V8-Motor zu fahren. So ging unser 280 SE im Februar 1994 mit einer Laufleistung von 140.000 km in Zahlung.
5. Mercedes-Benz 560 SEL (1994)
Auch daran kann ich mich noch heute gut erinnern: Am Samstag, den 5. Februar 1994 fuhr mein Vater mit mir vormittags zur Mercedes-Niederlassung, um die beiden W126 zu tauschen. Der 280 SE ging nach vielen Jahren in Zahlung, der 560 SEL wurde unser neues Familienmitglied.
Der 560 SEL war Erstzulassung 1990, kam aus erster Hand und hatte 35.000 km gelaufen. Er gehörte zuvor einem Unternehmer aus der Region, der nun seinen W140 bekommen hatte.
Auch wenn der Nachfolger W140 bereits seit drei Jahren auf dem Markt war, stellte der 560 SEL für mich damals einen beeindruckenden Schritt dar. Der große V8 und der lange Radstand mit Sitzheizung und elektrisch verstellbarer Sitzbank im Fond hatten es mir sehr angetan!
Mit dem 560 SEL haben wir in den Jahren ab 1994 viele Ausflüge unternommen. Ich selbst war 16 Jahre alt und bei Urlaubsreisen nicht mehr so oft wie früher an Bord. Dennoch gab es zahlreiche Unternehmungen und Wochenendausflüge, die ich noch heute mit dem 560 SEL verbinde.
Im Laufe der Jahre erwies sich auch unser zweiter W126 als guter Kauf. Er gehörte insgesamt acht Jahre zur Familie und es gab in dieser Zeit keine größere Reparaturen. Anfang 2002 hatte der 560 dann 150.000 km gelaufen und meine Eltern waren im Wesentlichen noch zu zweit unterwegs. Bei meinem Vater wuchs die Sorge, dass größere Reparaturen auf ihn zukommen könnten – der 560 war immerhin von 1990 – und ihm erschienen auch die Unterhaltskosten für zwei Personen als unwirtschaftlich. (Mit weniger als 15 Litern auf 100 km war der V8 kaum zu fahren.)
6. Mercedes-Benz E 280 (2002)
Der Weg führte meinen Vater im Mai 2002 deshalb wieder zu Mercedes. Ich erinnere mich noch, dass er eine etwas kleinere, aber komfortabel ausgestattete Limousine suchte. Meine Eltern entschieden sich für ein Fahrzeug direkt aus dem Ausstellungsraum: Es wurde ein E280 Elegance der Baureihe W210 in quarzsilber metallic. Die Produktion des W210 war bereits im März 2002 ausgelaufen. Dementsprechend ließ sich für dieses Ausstellungsfahrzeug ein guter Kurs aushandeln.
Im Mai 2002 stieg mein Vater also auf einen E280 Elegance um, den er mit einem Rabatt von 15% als Neuwagen bei Mercedes kaufen konnte.
Aus heutiger Sicht ist auch interessant, dass Mercedes für den (durchaus sehr gepflegten) 560 SEL nur 3.500 Euro bei einer Inzahlungnahme angeboten hatte. Ich habe den W126 dann damals über mobile.de für 8.500 Euro privat verkauft. Was mir im Jahr 2002 wie ein vernünftiger Preis erschien, lässt mir heute fast Tränen in die Augen steigen. Er wäre jetzt, gut 20 Jahre später, wohl mehr als das Doppelte wert.
Mit dem E280, der auch ein schönes Auto war, verbinde ich keine Kindheitserinnerungen mehr. Zum Zeitpunkt seines Kaufs wohnte ich bereits seit mehreren Jahren nicht mehr im Elternhaus und hatte selbst schon mein zweites Auto gekauft.
Der E280 sollte das letzte Fahrzeug sein, das mein Vater gefahren ist. Es war dritte Mercedes, der sich über sehr viele Jahre als technisch völlig problemlos erwies.
Meine Eltern sind in 12 Jahren 99.000 km mit dem Mercedes gefahren, wobei er in den letzten beiden Jahren nur noch unbewegt zuhause stand. Meine Mutter hatte ihr CLK 240 Cabriolét, und mein Vater konnte seinen Mercedes aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fahren. Er litt unter einer fortschreitenden Herzinsuffizienz, an der er im Dezember 2013 verstorben ist.
Die Tour durch die Familienautos meiner Kindheit ist spätestens damit vollständig erzählt. Für Euch war die zweiteilige Tour vielleicht ein interessantes Stück automobiler Zeitgeschichte; das war zumindest meine Zielsetzung. Ich selbst verbinde mit diesen Erinnerungen auch heute noch unzählige, schöne Erlebnisse mit Familie und Freunden.
Herzlich Dank für die persönlichen und für mich bewegenden Schilderungen, durch welche ich mich inmeine Kindheit versetzt fühle. Fuhren doch meine Eltern in den End Siebzigern mit uns als Kindern auch zu Freunden nach Kent, Sussex und bis nach Inverness mit einem 1973 /8 200 D. Bei der Ankunft zuhause war die Tankklappe mehr als verußt….
Achso, und nun freue ich mich seit Frühjahr über einen X308 4,0 Sovereign nachdem ich so lange nach einem „vernünftigen“ W123 oder W126 Ausschau gehalten habe. Und ich kann sagen: Ein X308 ist für mich ein Traum. Ich freue mich auf jede Ausfahrt.