So stellte sich anno 1998 also die Auswahl in der Luxusklasse mit V8-Motoren dar: BMW 740i und Audi A8 4.2, klar. Der Lexus LS 400 hat sich mittlerweile auch etabliert, die zweite Generation hat ihr Facelift erhalten. Und dann sind noch zwei etwas seltenere Luxus-Limousinen vertreten: Der Jaguar XJ8 4.0 und der Cadillac Seville STS. Und der Mercedes S420? Der W140 steht 1998 wenige Monate vor seiner Ablösung durch den W220, man möchte ihn deshalb nicht mehr ins Rennen schicken.
Die auto motor und sport 12/1998 widmet diesem Vergleichstest immerhin neun Seiten. Es beginnt mit dem Thema Karossiere. Aus heutiger Sicht fällt vor allem auf, dass hier wirklich fünf individuelle Fahrzeugkonzepte zur Auswahl stehen. Es ist die Vielfalt, die es in dieser Form heute, 25 Jahre später, nicht mehr gibt. Die Angebote sind sich ähnlicher geworden, zwei dieser fünf Modelle gibt es heute gar nicht mehr. Jaguar XJ und Cadillac Seville wurden nach vielen Jahrzehnten der Produktion eingestellt.
Generell kann in dieser Klasse von langweiligem Einheitsstyling nicht die Rede sein, die Markenidentität wird klar sichtbar. … Die klassische Schönheit des Jaguar bringt allerdings sachliche Nachteile mit sich. Der Einstieg ist wegen der geringen Höhe nicht so bequem wie bei der Konkurrenz, auch das Platzangebot im Innenraum verfehlt das klassenübliche Niveau.
auto motor und sport 12/1998, Seite 45
Der Audi A8 fuhr damals noch in seiner ersten Generation vor, wußte sich aber mit hoher Qualität und einem fahraktiven Fahrzeugkonzept abzusetzen. „Auch der Audi ist sehr handlich, auf rutschigem Untergrund profitiert er von seinem permanenten Allradantrieb, der nicht nur der Traktion dient, sondern auch ein schwer kontrollierbares Ausbrechen des Hecks zuverlässig verhindert“, urteilten die Tester damals. Besonders der Quattro-Antrieb war damals ein echtes – aus meiner Sicht sehr reizvolles – Alleinstellungsmerkmal für eine V8-Limousine.
Grundsätzlich punkten im Fahrwerkskapitel vor allem BMW, Jaguar und Audi: „BMW, Audi und Jaguar zählen zu den fahraktiven, handlichen Autos. Lexus und Cadillac sind bemüht, die Akzente auf den Komfort zu legen, was ihnen aber nicht durchweg überzeugend gelingt“ (auto motor und sport 12/1998, Seite 51).
Das Fahrverhalten des Cadillac war im Vergleich nicht ganz auf der Höhe, amerikanisch geprägt eben. Er muss auch als einziger mit Frontantrieb antreten, was in dieser Klasse schon einen gewissen Nachteil darstellt. „Handlich ist der Seville nicht: Die ziehenden Einflüsse des Frontantriebs sind zu spüren, die Lenkung baut hohe Haltekräfte auf. Auch die Federung läßt, trotz elektronischer Regelung der Dämpfer, zu wünschen übrig“ (auto motor und sport 12/1998, Seite 52).
Andererseits konnte der Cadillac im Komfortkapitel punkten: Er bot damals schon innovative Ausstattungsmerkmale wie selbst einschaltende Scheinwerfer, automatisch lösende Fußfeststellbremse oder einen selbst schließenden Kofferraum.
Für den Jaguar sprachen vor allem – selbstredend – die individuelle, beim X308 sehr gelungene Karosserieform und das Fahrwerk (das hatten wir oben schon). Am Nutzwert hapert es im direkten Vergleich etwas. Der Einstieg ist wegen der geringen Höhe nicht so bequem, das Platzangebot verfehlt das klassenübliche Niveau, die Instrumente sind zu klein und die Bedienung ist unübersichtlich. Eine Limousine für Ästheten und Individualisten eben!
Bis auf ein Stuckern der Vorderachse auf Querfugen bietet der Jaguar einen vorzüglichen Federungskomfort, er fährt sich ähnlich behende und präzise wie der BMW, muss aber einen Punktwechsel hinnehmen, weil er in extremen Situationen zu kräftigen Lastwechselreaktionen neigt.
auto motor und sport 12/1998, Seite 55
Motorenseitig herrschte damals (anders als heute) konzeptionelle Einigkeit. Alle fünf treten mit Achtzylinder-Motoren mit vier bis viereinhalb Litern Hubraum an und erzeugen damit zwischen 284 PS (Lexus, Jaguar) und 305 PS (Cadillac). Auch die Fahrleistungen sind sehr ähnlich, wie die Tabelle mit den Messwerten zeigt (siehe unten). In der Wirkung auf den Motor gibt es dennoch Unterscheidungsmerkmale: „Die Achtzylinder von BMW, Audi und Jaguar klingen bei hoher Drehzahl vernehmlicher als der Lexus-Motor, dessen Klangbild sich mit zunehmender Drehzahl kaum verändert. Eine betont kernige Aussprache unter Volllast entwickelt der Cadillac-V8, aber weil sich das gut anhört, ist es kein entscheidender Nachteil“ (auto motor und sport 12/1998, Seite 55).
Die Grundpreise (in der folgenden Abbildung unterhalb der Messwerte) zeigen, dass der Cadillac damals mit unter 100.000 Euro deutlich günstiger zu haben war als die anderen vier Modelle. Hier konnte man für relativ wenig Geld also relativ viel Auto bekommen. Der Preis des Jaguar bezieht sich allerdings auf die Ausstattungsvariante Sovereign, die schon vieles an Bord hatte, was bei Audi und BMW noch extra bezahlt werden musste. Ausstattungsbereinigt dürften ein Audi A8 4,2 quattro oder ein BMW 740i also doch ein paar Euro teurer als der Jaguar gewesen sein.
In den neunziger Jahren kamen in der Luxusklasse auch die Soundsysteme von BOSE & Co. in Mode, die für teils recht hohe Aufpreise angeboten wurden. Es gibt deshalb in diesem Vergleichstest einen eigenen Textkasten für den Vergleich der Soundsysteme. Überraschenderweise kommen Audi und BMW nicht gut weg. Das Alpine-System von Jaguar wird immerhin als „ordentlich“ bewertet. Der klare Gewinner in der Disziplin Soundsystem ist aber – endlich auch mal – der Cadillac. „Das Bose-System im Cadillac ist das Beste, was es ab Werk gibt“, urteilen die Tester von auto motor und sport.
Es kommt also so, wie es kommen musste. Audi und BMW gewinnen den Vergleichstest mit einem guten Vorsprung. Auf Platz drei folgt der Lexus, damals sicherlich ein modernes, überzeugendes Auto (auch wenn er mich emotional bis heute nicht anspricht).
Der Jaguar verliert in fast allen Abschnitten jeweils ein paar Punkte auf die ersten drei und kommt auf den 4. Platz, dicht gefolgt vom Cadillac auf Platz 5.
BMW und Audi bauen die Autos mit den ausgewogensten Eigenschaften. Alle anderen erfordern Zugeständnisse, die der Kunde angesichts der Eleganz des Jaguar, der Individualität des Cadillac oder der vielfach vorbildlichen Betreuung durch den Lexus-Kundendienst gern in Kauf nehmen mag. Schlecht bedient ist er in keinem Fall.
auto motor und sport 12/1998, Seite 55
Aus heutiger Sicht sind alle fünf attraktive Youngtimer, wobei mich vor allem Audi, BMW und Jaguar ansprechen. Einen Cadillac Seville STS könnte ich mir in der Garage heute ebenfalls gut vorstellen, einen Lexus LS400 eher nicht. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
Der Kauf eines Cadillac Seville als Youngtimer birgt aber eine Herausforderung: Bundesweit sind Stand heute gerade mal sechs Fahrzeuge bei mobile.de im Angebot, die aber teils deutlich unter 10.000 Euro angeboten werden (wer mal selbst schauen möchte: Hier ist der direkte Link zur Suche nach dem Seville). Dieses niedrige Preisniveau wäre bei A8 4.2, 740i oder XJ8 heute nicht mehr vorstellbar. Vielleicht wäre der Seville doch gerade heute noch eine Überlegung wert… 🤔 😊
Guter Bericht!
Und fehlerfrei, bis heute, garantiert: der Lexus!
Der Seville mit zweiter Zylinderkopfdichtung, der BMW mit defektem Fahrwerk und ebenfalls Problemen am Kopf, Audi utopische Preise für Zahnriemenwechsel und schlechter Ersatzteilversorgung, und der Jaguar mit neuem Satz Kettenspanner und Kette, und bestimmt einem undichten Simmerring, Dachhimmel sowieso (wie der E38).
Und überhaupt, wo ist der W140, als S420?