Man könnte sich die Situation im Jahr 1992 bildlich etwa so vorstellen: Der Fahrer des gut 100.000 DM teuren Porsche 968 beschleunigt aus der Autobahnbaustelle heraus. Die Straße ist leer, er dreht den dritten, vierten, fünften Gang aus, schaltet schließlich in den sechsten. Und blickt überrascht in den Rückspiegel. Warum ist der Opel Calibra nicht kleiner geworden? Es könnte alternativ auch ein VW Corrado gewesen sein, der diesen Effekt erzeugt hat.
Die Antwort ist einfach: Es ist Frühjahr 1992, soeben hat Opel den Calibra Turbo auf den Markt gebracht, VW nahezu zeitgleich den Corrado VR6.
Marktlage anno 1992
Die drei Sportler – Opel Calibra Turbo, VW Corrado VR6 und Porsche 968 – finden sich allesamt in der auto motor und sport-Ausgabe 9/1992 wieder. Corrado VR6 und 968 treten direkt gegeneinander an, der Calibra Turbo wird ein paar Seiten weiter hinten einzeln getestet.
Es ist nicht das erste Mal, dass in der auto motor und sport ein VW gegen einen Porsche antritt. Beispielsweise wurde in Ausgabe 16/1981 der Scirocco GTI mit dem Porsche 924 verglichen. Das Fazit damals: Der VW Scirocco sei der „bessere Kauf“. Der Schlusssatz relativierte diesen Sachverhalt etwas mit der Aussage, „ein gutes Auto wurde von einem besseren geschlagen.“
Mit Erscheinen des 968 im Jahr 1991 und des Corrado VR6 1992 wurde das Duell neu aufgelegt. Die Überschrift „Die halbe Miete“ spielte auf den Preisunterschied an, denn der Porsche kostete nahezu das Doppelte.
Im direkten Vergleich zum 968 kann der Corrado mit seinem Motor punkten: „Ohne über Schönheit streiten zu wollen, entspricht der Corrado weit weniger als der Porsche 968 dem Bild des klassischen Sportwagens. Dabei fährt er sich durchaus wie einer. Der motorische Reiz lässt den Corrado sogar besser aussehen als den Porsche. Die derzeit größte und stärkste Version des VR6-Motors macht Spaß – keine Frage.“
Ein paar Seiten weiter hinten findet sich direkt der erste Test des neuen Opel Calibra Turbo 4×4 und man fragt sich, warum dieses Auto nicht direkt Teil des Vergleichstests war. Gepasst hätte es perfekt. Dazu kann man gut den damaligen Porsche-Check Arno Bohn zitieren, der während seines Rundgangs über den damaligen Genfer Automobilsalon wohl trocken meinte: „Unglaublich, dass Opel solch ein Coupé zu diesem Preis anbieten kann.“
Der Calibra Turbo 4×4 kam mit Allradantrieb, Sechsganggetriebe und dem „harmonisch abgestimmten Turbomotor“ mit 204 PS auf den Markt und wurde für den nahezu exakt gleichen Preis wie der Corrado VR6 angeboten. Der neue Motor kommt gut an bei den Testern von auto motor und sport. „Ab 3.500/min legt legt der Motor so kräftig nach, dass es die Passagiere mit sanfter Gewalt in die Sitze drückt. Keine Frage: In punkto Leistungs-Charakteristik ist der aufgeladene Zweiliter einer der angenehmsten Turbomotoren unserer Zeit.“
Und wer sich auf dieser Seite die damalige Preisliste des Calibra Turbo zu Gemüte führt, stellt fest, dass im Grundpreis von 49.800 DM eine umfangreiche Serienausstattung enthalten war. Bei den aufpreispflichtigen Sonderausstattungen fanden sich darüber hinaus echte Luxusmerkmale, mit denen sich ein Calibra adeln ließ. Beispielsweise gab es eine Nappaleder-Ausstattung (2.800 DM) oder ein integriertes C-Netz-Autotelefon mit Freisprecheinrichtung (5.500 DM).
Technische Daten im Vergleich
Der Vergleich der damaligen Eckdaten und ams-Messwerte der drei Sportler zeigt zwei Dinge, die man heute kaum mehr so findet:
- Die Antriebskonzepte der drei waren grundverschieden. Man hatte die Wahl: Mit oder ohne Turbo? Vier oder sechs Zylinder? Front-, Heck- oder Allradantrieb? Faszinierend, welche Vielfalt es damals gab!
- Hier sind drei Autos von Opel, VW und Porsche mit einem entsprechend großen Preisunterschied, aber die gemessenen Fahrleistungen sind nahezu identisch!
Opel Calibra turbo | VW Corrado VR6 | Porsche 968 Coupé | |
---|---|---|---|
Motor und Hubraum | R4-Turbomotor mit 1.998 cm³ | V6-Saugmotor und 2.861 cm³ | R4-Saugmotor mit 2.990 cm³ |
Antrieb | Allradantrieb | Frontantrieb | Heckantrieb |
Leistung (PS/min.) | 204 PS bei 5.600/min | 190 PS bei 5.800/min | 240 PS bei 6.200/min |
0-100 km/h | 6,9 sec. | 7,6 sec. | 6,6 sec. |
0-180 km/h | 23,3 sec. | 25,9 sec. | 20,5 sec. |
Vmax | 245 km/h | 232 km/h | 253 km/h |
Testverbrauch | 11,5 l/ 100km | 11,8 l/ 100km | 12,2l/ 100km |
Grundpreis | 49.800 DM | 49.790 DM | 92.300 DM |
Auch wenn die Daten der drei auf dem Papier eine gewisse Vergleichbarkeit suggerieren, wird es damals nur wenige Käufer gegeben haben, die sich anstelle des Porsche 968 für einen Calibra oder Corrado entschieden. Die Beweggründe, sich für einen Porsche zu entscheiden, lagen anders als beim Calibra oder Corrado.
Diesen Unterschied zeigen auch die Produktionszahlen unserer drei Sportler im Laufe ihres Lebens:
- Spitzenreiter ist der Opel Calibra: Insgesamt wurden stolze 238.647 Opel Calibra produziert. Allerdings gab es nur 12.677 Calibra Turbo – er war ein prestigeträchtiges Spitzenmodell, für das sich nur rund 5% der Calibra-Käufer tatsächlich entschieden haben.
- Vom VW Corrado wurden insgesamt 97.535 Stück produziert. Wie viele VR6-Modelle es gab, konnte ich nicht belastbar recherchieren. Wenn man von 10 bis 20 Prozent ausgeht, dürfte es zwischen 10.000 und 20.000 VR6-Modelle gegeben haben.
- Preisgemäß am exklusivsten war der Porsche 968: Insgesamt wurden nur 11.241 Porsche 968 produziert, davon 7.282 als 968 Coupé. (Es wurden damit also immer noch deutlich mehr Calibra Turbo produziert als Porsche 968 Coupé!)
Marktlage anno 2024
In den vergangenen 30 Jahren hat sich dieser Proporz deutlich verschoben. Ein Blick in die Bestandszahlen des Kraftfahrzeug-Bundesamtes vom 01.01.2023 zeigt, wie groß der erfolgte Umbruch ist:
- Vom Porsche 968 gibt es heute in Deutschland immerhin noch 1.776 zugelassene Fahrzeuge (davon 1.148 Coupés; Typschlüsselnummern 428 und 429).
- Vom VW Corrado VR6 sind noch 1.336 Fahrzeuge zugelassen (TSN 905).
- Vom Opel Calibra Turbo gibt es hingegen nur noch 493 zugelassene Fahrzeuge (TSN 870), vom Opel Calibra V6 immerhin noch 704 Fahrzeuge (TSN 904).
Obwohl der Opel Calibra Turbo in erheblich größerer Stückzahl produziert wurde, sind heute also noch mehr als drei Mal so viele Porsche 968 auf unseren Straßen unterwegs! Auch der VW Corrado VR6 hat sich im Bestand erheblich besser gehalten als der Calibra Turbo.
Opel Calibra Turbo
Der drastische Rückgang im Bestand spiegelt sich in der Marktlage wieder. Wenn man verbastelte und offenkundig mängelbehaftete Exemplare ausfiltert, bleiben nicht viele Fahrzeuge übrig – auch bei europaweiter Suche. Die zum Zeitpunkt meiner Suche für mich einzig interessanten Exemplare auf mobile.de finden sich nachfolgend.
Am oberen Ende der Preisskala gibt es dann doch noch einen offenbar gepflegten, serienbelassenen Calibra turbo, der allerdings bei einem Händler in der Nähe von Venedig steht. Für stolze 26.000 Euro wird hier ein Fahrzeug in (wie ich finde) edler Farbkombination ohne im Inserat erkennbare Mängel inseriert. Das ist der beste Calibra Turbo, den ich bei meiner Recherche finden konnte, und ein reizvolles Auto, finde ich. Natürlich bewegt sich der Preis in einer Größenordnung, in der man auch einen vernünftigen Porsche 968 kaufen könnte.
Zum Zeitpunkt meiner Suche habe ich auf mobile.de keinen weiteren Calibra Turbo mehr gefunden, dessen Inserat auf mich verlockend wirken würde(!). Wer so ein Fahrzeug sucht, braucht also viel Geduld und einen großen geographischen Aktionsradius.
Vielleicht muss es aber auch nicht zwingend der Turbo sein. Ein Jahr nach dem Turbo wurde die Motorenpalette durch den 2,5 Liter-V6 Motor ergänzt. Mit 170 PS lag der Calibra V6 zwar 34 PS unter dem Turbo, und es gab ihn auch nicht mit Allradantrieb und Sechsganggetriebe. Als Youngtimer-Liebhaber könnte man es aber auch so sehen: Mit dem V6 lässt es sich entspannter cruisen als mit dem Turbo, und man spart sich die Probleme mit Turbolader und Allradantrieb des Turbo, die aus heutiger Sicht beide als anfällig gelten (siehe diese Kaufberatung des Calibra-Clubs).
Fazit meiner kleinen Recherche: Es gibt noch gute Opel Calibra Turbo auf dem Markt, aber man kann sie europaweit an einer Hand abzählen und wird in Preisregionen gut oberhalb von 20.000 Euro vorstoßen.
VW Corrado VR6
Wenn man dann nach einem Corrado VR6 sucht, ist das Angebot schon etwas bunter. Allerdings ist auch hier das Gros der inserierten Autos sichtbar modifiziert – von dezenter Tieferlegung mit breiten Alus bis hin zu Flügeltüren und mehr… Es gibt aber auch noch das eine oder andere originale Fahrzeug im Angebot.
Dieses Inserat steht aktuell für solch ein Modell – ein serienbelassenen Corrado VR6 mit 79.000 km, der für 25.700 Euro angeboten wird. Bei den serienbelassenen Fahrzeugen wird der Anteil der Inserate immer höher, die für mehr als 20.000 Euro angeboten werden.
Ähnlich wie beim Calibra muss auch der Käufer eines Corrado VR6 geduldig suchen. In diesem Beitrag im Januar 2024 hatte ich beispielsweise über das nachfolgende Inserat eines Corrado VR6 berichtet, das mir als preislich auffallend attraktiv aufgefallen war. Nicht ganz zu unrecht, denn sechs Tage später war das Inserat schon wieder gelöscht, das Auto offensichtlich verkauft.
Es gibt also noch attraktive Corrado VR6 im Angebot, aber es braucht Geduld und dann schnell entschlossenes Handeln!
Porsche 968 Coupé
Deutlich mehr Inserate finden sich bei der Suche nach einem gepflegten Porsche 968 Coupé. Am unteren Ende der Preisskala gibt es oft die unter Liebhabern etwas weniger beliebten Tiptronic-Modelle. Gute Coupés mit Schaltgetriebe und nicht mehr als 150.000 km liegen typischerweise zwischen 25.000 und 35.000 Euro.
Am unteren preislichen Rand der gepflegten 968 liegt aktuell dieses Inserat, ein Coupé mit Schaltgetriebe und immerhin 221.000 km Laufleistung, das für 21.950 Euro angeboten wird.
Wer nicht viel mehr als 100.000 km und vielleicht noch eine „besondere“ Variante wie den 968 targa sucht, muss deutlich mehr investieren. Man liegt dann schnell bei über 35.000 Euro, wie zum Beispiel bei diesem indischroten 968 targa mit Schaltgetriebe und angeblich lückenlosem Scheckheft. Ein starker 968, finde ich, viel besser geht es nicht – aber er soll eben auch stolze 39.500 Euro kosten.
Am oberen Ende des Preisskala befindet sich der seltenere und puristischere 968 CS sowie Fahrzeuge mit sehr geringer Laufleistung wie das nachfolgende Inserat, das mir persönlich als Japan-Reimport aber schon als merklich zu hoch bepreist vorkommt.
Wer einen Porsche 968 sucht, kann sich also über mehr Angebot und Auswahl freuen. Das Preisniveau liegt aber auch rund 10.000 Euro höher als bei Calibra Turbo und Corrado VR6 – es ist eben immer noch ein Porsche.
Welcher ist heute der beste Kauf?
Über Geschmack lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten. Ich kann allen drei Modellen einen großen Reiz nachempfinden und jeden Youngtimer-Liebhaber gut verstehen, der sich auf eines dieser Fahrzeuge fokussiert hat.
Gemeinsam haben sie heute ein ähnliches Preisniveau, bei dem sich der Porsche etwas abhebt, aber nicht kaufentscheidend. Gute Ersatzteile werden insbesondere bei Calibra und Corrado zunehmend schwerer zu finden. Man versuche mal, für den Corrado ein Luftfiltergehäuse oder für den Calibra Turbo einen Heckdeckel-Schriftzug zu bekommen. Teile wie diese werden in Gold aufgewogen. Beim Porsche scheint die Lage besser zu sein, aber das Preisniveau für Ersatzteile ist deutlich höher.
Beim Calibra würde mir Sorgen bereiten, dass er (anders als Corrado und 968) als rostanfällig gilt. In der Kaufberatung eines Calibra-Clubs findet sich das Statement, das es heute keinen Calibra mehr gibt, der nicht von innen rostet. Hinzu kommt, dass der Allradantrieb des Turbo als wenig robust gilt.
Ganz rational würde ich deswegen als Youngtimer heute beim Corrado VR6 landen. Aber, wer kauft so ein Auto schon aus rationalen Beweggründen… Wo auch immer Ihr landet, viel Spaß bei der Suche! 🙂
Welcher von den dreien ist Euer Favorit? Ich freue mich wie immer über Kommentare unter dem Beitrag!